Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (8)
Also auf ein Mädchen
aufzupassen ist ja für einen Jungen eine schwierige und gelegentlich
unlösbare Aufgabe. Das Schlimme im konkreten Fall war, dass ich
sogar schuld an der Katastrophe war ...
Also im Anschluss an die
Chemiestunde versuchte ich für Mahay den Inhalt der Stunde mit
eigenen Worten zusammenzufassen. So hatte es der Trainer mir
empfohlen und Mahay fand die Idee gut, wenn wir die Zeit haben
sollten. Die folgende Stunde war Sport und Mahay würde sich bei
ihrem lockeren Kleid schneller umziehen als alle anderen.
Nun war es unerwünscht,
die durchgeschwitzten Sportanzüge mit heim zu nehmen. Die landeten
normalerweise nach der Stunde gleich in der Waschmaschine der Schule
und lagen nach Größe sortiert im Umkleideraum bereit. Darauf hatte
ich Trottel Mahay nicht hingewiesen, richtiger: Ich hatte nicht dran
gedacht. Wir beide waren die letzten auf der Treppe, die anderen
waren schon in der Halle. Ich zog mich allein im Jungenraum um, Mahay
im Mädchenraum aus …
Als ich in der Tür zur
Turnhalle stand, war es zu spät. Mich überschwappte ein Gemisch aus
Ohren betäubendem Gelächter, boshaften und entsetzten Rufen. Etwa
drei Meter vor mir, schräg gesehen, vor dem Ausgang des
Umkleideraums der Mädchen stand Mahay und war nackt. Als ich sie
sah, war mir der Zusammenhang sofort klar. Es konnte einfach nur so
sein, dass die Maniani ihren Sport nackt trieben. Das erklärte auch
die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich vor mir ausgezogen
hatte. Bei uns aber …
Also ich sah Bilder
dessen, was gerade abgelaufen sein musste, in einer Geschwindigkeit
vor meinem inneren Auge ablaufen, dass ich sie nur um vieles
langsamer aufschreiben kann. Die Umkleidekabinen und Duschen waren
für Jungen und Mädchen getrennte Durchgangsräume mit Zugang vom
Treppenhaus der Schule und Ausgang zur Turnhalle, wo dann alle wieder
zusammentrafen. Offenbar waren die anderen Mädchen schon raus in die
Halle, als Mahay durch die Tür vom Schulhaus gekommen war. Sie hatte
gar nicht sehen können, dass sich jedes Mädchen einen Dress in der
eigenen Größe gegriffen und übergestreift hatte. Sie hatte
höchstens bemerkt, dass vorher niemand Sportzeug dabei gehabt hatte.
Das musste ohne Frage für sie bedeuten, dass es keines gab ...
Entweder begriff Mahay
ihre Situation nicht oder sie hatte gerade ihre Reaktionsfähigkeit
eingebüßt. Anstatt wenigstens zurück in die Umkleidekabine zu
laufen, stand sie, scheinbar überlegend, da.
Rozy war der erste, der
mehr tat als lachen. Er hockte sich auf alle Viere und stieß
unartikulierte Laute aus. Das Gelächter war voll auf seiner Seite.
Ich sprang vor Mahay, drängte sie in den Raum zurück, warf hinter
uns die Mädchenumkleidetür zu. Es blieb noch laut draußen. Was
sollte ich tun?
„Schiet druff! Zieh
dich wieder an! Wir gehen hoch. Läuft der Sport eben ohne uns.“
Mahay schien anfangs widersprechen zu wollen. Dann aber griff sie
nach ihrem weißen Hüftschmuck. Ihr schien nach Heulen zu sein. Und
ich Feigling? So öffentlich in der Mädchenumkleide wagte ich nicht,
sie einfach in die Arme zu nehmen, obwohl Mutter das doch immer
gesagt hatte: Wenn du jemandem helfen möchtest und weißt nicht wie,
dann nimm ihn fest in die Arme. Das kann nicht falsch sein und gibt
Kraft. Verdammt. Ich spürte doch, dass Mahay eine Stärkung von mir
brauchte. Es war doch mein Fehler: Ich hatte gesagt, mach einfach
alles, was die anderen machen – und dann sorgte ich dafür, dass
keine anderen da waren, an denen sie sich hätte orientieren können
…
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