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Kinder (2)
... Immerhin
konnte sie sich mit ihm über Bücher austauschen. Er las selbst noch
richtige, verstand, was drin stand, diese Probleme von Greisen, die
viel älter geworden waren als 30 Jahre. Er hörte ihr zu, wenn sie
ihm von Sanne und Tim erzählte. So verständnisvoll, obwohl er gar
keine Geschwister hatte und seine Bekannten auch nicht. Aber er gab
sich große Mühe, ihr Tipps zu geben, worin sie die beiden
unterrichten sollte und wie. Richtig gute sogar. In der Schule wäre
Martin bestimmt Spitze gewesen und Lehrer geworden, vielleicht. Er
lernte gerade Gitarre. Das wär was für Sanne. Die brauchte
unbedingt Sexualkundeunterricht.
Tim
war zwar nur 15 Monate jünger als Sanne, aber er zeigte
glücklicherweise noch kein Interesse an solchen Dingen. Wie sollte
Claudia das alles einer Neunjährigen erklären? Sanne sollte doch
Bescheid wissen. Oder lieber noch nicht?
Sannes
Blicke waren Claudia manchmal richtig unheimlich. Eiskalt lief es ihr
dann den Rücken herunter. „Kann sein, die weiß schon alles.
Alles, verstehst du, Martin“, hatte sie geschrieben,„... alles …“
Darauf
war Martin nicht eingegangen.
Ach
Martin …
Es
ist bestimmt besser, dass du mich so … wieder schluchzte Claudia
auf … so sexy in Erinnerung behältst. Was war das schon für ein
Leben? Sie trug inzwischen einen ganzen Millimeter Farbcreme auf, um
noch als Frau wahrgenommen zu werden und nicht als Greisin. Obwohl …
in den letzten Wochen war Claudia überhaupt nicht mehr draußen
gewesen. Längst erledigte Sanne alles, wozu man raus musste.
Einkaufen und so. Sanne blieb in letzter Zeit lange draußen weg.
Wenn Claudia fragte, wie sie zum Beispiel zu dem frischen Gemüse
gekommen war, lächelte sie nur still wissend in sich hinein. Wie
viel wusste sie vom Leben? Zu viel, bestimmt zu viel!
War
das seltsam. Nicht einmal erwähnte Martin ihr gegenüber die
Krankheit. Obwohl es doch nichts Wichtigeres gab auf der Welt. Alle
redeten von ihr. Ahnte er, warum auch sie das Thema umging?
Ganz
plötzlich wurde es Claudia bewusst. Martin war doch im selben Alter.
Vielleicht klemmte, seit sie sich nur noch schriftlich verständigten,
ein Foto von ihr an seinem Monitor. Er saß am Computer, starrte ihr
Bild an, seinen Penis in der Hand ... Die meisten Jungen machten das
so. Und da bemerkte er, dass es nicht ging. Dass da nur etwas
Schwabbeliges zwischen seinen Beinen hing und sich ohne Wirkung
streicheln ließ trotz Claudias gewagtestem Foto. Nichts! Das war
vielleicht für einen Jungen noch viel schlimmer als ihr Altern als
Frau. Denn noch, als sie schon aussah wie Ende 30, war sie eine Frau,
nach der die Männer sich umdrehten. Martin war vielleicht schon
längst kein Mann mehr, also vom Selbstgefühl, und er hatte es die
ganze Zeit verleugnet. Dann chatteten sie in den letzten Wochen also
deshalb so viel miteinander, weil auch Martin kaum den Weg auf die
Straße schaffte. Claudia versuchte sich den Jungen mit dem Gesicht
eines Greises vorzustellen. Es gelang ihr nicht. Nein, es klappte
einfach nicht. Vor Monaten hatte er doch noch Kopfstand vor dem
Kameraauge gemacht, um sich so mit ihr zu unterhalten, und nun lief
er über einen Rollator gebeugt herum? Nein! Das mochte und wollte
Claudia sich nicht ausmalen. ...
Und die Lyrik?
Um denkbaren Missverständnissen vorzubeugen: "Für Hei-Hei" hat natürlich nichts mit China, sondern mit dem Bild dieses Blogs zu tun.
Sebastian Deya hatte ja dafür bei mir missglückte Assoziationen hervorgerufen. Als ich ".Eistanz." erstmal las, erinnerte mich das Grundbild des Gedichte an Zeiten, als es noch eine DDR-Olympiamannschaft gab. Damals wurde den Rennrodlerinnen vorgeworfen, sie erzielten ihre Erfolgsgeschwindigkeit durch das Erhitzen der Kufen ...
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