Montag, 11. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1907

Beschwören wir noch ein Stück aus Thomas Staufenbiels Geschichte:



.Thomas Staufenbiel

Manotti (2)
....
Und einmal am Tag verirrten wir uns in die Nähe von Konnopke, jenem Traditionsimbiss, dessen Betreiber seit den dreißiger Jahren erst als fahrender Wurstmaxe, später aus einem Wagen, dann endlich aus diesem Kiosk heraus seine heißbegehrte Wurst verkaufte. Das war ein Anlaufpunkt, ein Platz, an dem sich Berlin traf. Hier hörten wir so viele Geschichten und manchmal bekamen wir auch eine Wurst.
Diesmal war es Oliver, der etwas entdeckt hatte. Am Kiosk klebte ein riesiges Plakat. „Der große Manotti – kommen und staunen Sie“. Zu sehen war ein hagerer Mann mit Zwirbelbart, weit aufgerissenen Augen, hoher Stirn und schmaler Nase. Bekleidet mit einem langen Frack, hielt er in der einen Hand den Zauberstab, in der anderen den Zylinder.
Konnopke war uns egal, die spannenden Hinterhöfe und leer stehenden Wohnungen auch. Wir rannten wie der Blitz um die Ecken, kamen verschwitzt und völlig aus der Puste an unserem Haus an, klingelten Sturm und riefen in vielstimmigem Chor unseren Müttern von unten herauf entgegen: „Manotti kommt, Manotti kommt.“

Es war ein Samstag – oder war es Sonntag, wer weiß das heute noch genau – als wir uns in seiner Vorstellung wieder-fanden. Wie gebannt starrten wir, in der ersten Reihe sitzend, auf spannende Zauberkunststücke. Da waren plötzlich Kanin-chen in seinem Hut, eine Taube und dann wieder ein Taschentuch. Manotti zauberte etwas hervor und ließ es wieder verschwinden. Ein Trick folgte dem nächsten. Zum großen Finale stieg er in einen Schrank und trat wenig später aus einem zweiten, der auf der anderen Seite der Bühne aufgebaut war, wieder heraus. Ein letzter kleiner Trick, er zauberte hinter meinem Ohr eine Münze hervor und schenkte sie mir. Danach ein kurzes Winken, wieder verschwand er in dem einen Schrank und ward nie wieder gesehen.

Oliver hatte nach dieser Vorstellung die allergrößte Angst, selbst zu verschwinden. Wie Kinder so sind, nutzte ich das aus und sperrte ihn gern einmal in einen Schrank. Er schrie, bis Mutter kam und ihn befreite. Irgendwann, ich wünschte mir damals auch oft, verschwinden zu können, musste ich ihr wieder unter die Augen treten. Die Ohrfeige kam unaus-weichlich.

Meine Wange – feuerrot glühend – schmerzte, aber auch dieses Brennen ließ irgendwann nach. Doch die Sehnsucht, die Manottis Münze hervorgerufen hatte, bestimmte mein Leben. Sie ließ mich nicht mehr los und irgendwann hatte sie es geschafft, mich zu dem erfolgreichen Zauberer werden zu lassen, der ich heute bin. Irgendetwas stimmt nicht, spüre ich, denn mir wird schwindelig. Gerade jetzt, ...

***

Natürlich gibt es noch immer die "Gedichte des Tages":

Kaum ist das eine Buch mit Liebesgedichten raus, schon springen mich neue Gedichte an, die es vielleicht hineingeschafft hätten und nun in der Testphase hängen bleiben: "ALLtägliche Beziehung?"
Dafür bietet auch Sebastian Deya ein für ihn und überhaupt nicht alltägliches Gedicht, bei dem ich allerdings, sollte er einen konkreten Hintergrund so bebildert haben, diesen Hintergrund nicht mehr erkenne: "Vom nicht ganz so dicken Brummer

.


.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Follower