.Thomas Staufenbiel
Manotti (2)
....
Und
einmal am Tag verirrten wir uns in die Nähe von Konnopke, jenem
Traditionsimbiss, dessen Betreiber seit den dreißiger Jahren erst
als fahrender Wurstmaxe, später aus einem Wagen, dann endlich aus
diesem Kiosk heraus seine heißbegehrte Wurst verkaufte. Das war ein
Anlaufpunkt, ein Platz, an dem sich Berlin traf. Hier hörten wir so
viele Geschichten und manchmal bekamen wir auch eine Wurst.
Diesmal
war es Oliver, der etwas entdeckt hatte. Am Kiosk klebte ein riesiges
Plakat. „Der große Manotti – kommen und staunen Sie“. Zu sehen
war ein hagerer Mann mit Zwirbelbart, weit aufgerissenen Augen, hoher
Stirn und schmaler Nase. Bekleidet mit einem langen Frack, hielt er
in der einen Hand den Zauberstab, in der anderen den Zylinder.
Konnopke
war uns egal, die spannenden Hinterhöfe und leer stehenden Wohnungen
auch. Wir rannten wie der Blitz um die Ecken, kamen verschwitzt und
völlig aus der Puste an unserem Haus an, klingelten Sturm und riefen
in vielstimmigem Chor unseren Müttern von unten herauf entgegen:
„Manotti kommt, Manotti kommt.“
Es
war ein Samstag – oder war es Sonntag, wer weiß das heute noch
genau – als wir uns in seiner Vorstellung wieder-fanden. Wie
gebannt starrten wir, in der ersten Reihe sitzend, auf spannende
Zauberkunststücke. Da waren plötzlich Kanin-chen in seinem Hut,
eine Taube und dann wieder ein Taschentuch. Manotti zauberte etwas
hervor und ließ es wieder verschwinden. Ein Trick folgte dem
nächsten. Zum großen Finale stieg er in einen Schrank und trat
wenig später aus einem zweiten, der auf der anderen Seite der Bühne
aufgebaut war, wieder heraus. Ein letzter kleiner Trick, er zauberte
hinter meinem Ohr eine Münze hervor und schenkte sie mir. Danach ein
kurzes Winken, wieder verschwand er in dem einen Schrank und ward nie
wieder gesehen.
Oliver
hatte nach dieser Vorstellung die allergrößte Angst, selbst zu
verschwinden. Wie Kinder so sind, nutzte ich das aus und sperrte ihn
gern einmal in einen Schrank. Er schrie, bis Mutter kam und ihn
befreite. Irgendwann, ich wünschte mir damals auch oft, verschwinden
zu können, musste ich ihr wieder unter die Augen treten. Die
Ohrfeige kam unaus-weichlich.
Meine
Wange – feuerrot glühend – schmerzte, aber auch dieses Brennen
ließ irgendwann nach. Doch die Sehnsucht, die Manottis Münze
hervorgerufen hatte, bestimmte mein Leben. Sie ließ mich nicht mehr
los und irgendwann hatte sie es geschafft, mich zu dem erfolgreichen
Zauberer werden zu lassen, der ich heute bin. Irgendetwas stimmt
nicht, spüre ich, denn mir wird schwindelig. Gerade jetzt, ...
***
Natürlich gibt es noch immer die "Gedichte des Tages":
Kaum ist das eine Buch mit Liebesgedichten raus, schon springen mich neue Gedichte an, die es vielleicht hineingeschafft hätten und nun in der Testphase hängen bleiben: "ALLtägliche Beziehung?"
Dafür bietet auch Sebastian Deya ein für ihn und überhaupt nicht alltägliches Gedicht, bei dem ich allerdings, sollte er einen konkreten Hintergrund so bebildert haben, diesen Hintergrund nicht mehr erkenne: "Vom nicht ganz so dicken Brummer"
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