Thomas
Staufenbiel
Reflexion
Schwarz-Weiß.
Richtig, so waren die damals. Ein Lächeln umspielt meine Mundwinkel.
Und so klein, sieben mal zehn, maximum. Staunen, Erinnern. Da hilft
kein Drehen und kein Wenden, hinten steht nur eine Jahreszahl.
Das
dämmrige Licht des alten Dachbodens fällt auf eine staubige Kiste,
die ich aus dem fast vergessenen Kleiderschrank herausgekramt habe.
Allein der Weg dorthin, über enge Treppen, knarrende Dielen, vorbei
an Spinnen-geweben und Vogelnestern, war beschwerlich. Doch früher
oder später musste ich mich überwinden, auch diese letzten Winkel
einer Inspektion zu unterziehen, ganz nach dem Motto: die Guten ins
Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.
Der
unscheinbare Karton beherbergt wahre Schätze, Fotografien aus einer
anderen Zeit. Mit jedem Bild rückt eine Minute, eine Stunde wieder
ins Gedächtnis und sei es auch nur eine Erinnerung aus Hörensagen.
Ich krame in meinen Geschichtskenntnissen:
Die
roten Brüder hatten ihren Sputnik, die Amerikaner ihren Glauben an
die erste Mondlandung - nun wurde es eng für die Außerirdischen.
Der moderne Mensch kümmerte sich um moderne Dinge und pflegte
überholte Ideale. Hinter den schicken Fassaden bröckelte der Putz
und ließ prähistorischen Trieben freien Lauf. Der kleine Mann war
jemand geworden, doch was nun? Die Augen der Welt schauten auf
Berlin, doch der einzig wahre Berliner wurde im fernen Dallas seines
Gehirns beraubt. Dieses klaffende Loch schien sich schleichend auf
die neue Generation zu übertragen. Die Beatles trennten sich und
gingen eigene Wege. Noch war nicht abzusehen, dass eine
Wiedervereinigung in der Einfahrt zum Dakota House in New York
vereitelt, weil auf deren Stufen John Lennon ermordet werden würde,
und niemand wollte glauben, wie teuer Scheidungen werden können. Am
Ende der Beatlemania setzte sich die Flower-Power-Bewegung mit
Woodstock ein grandioses Denkmal. Gleichzeitig versank sie im Schlamm
des unerwarteten Regens und spülte sich letztlich selbst mit einem
Schuss Kommerz in den Abfluss der Geschichte.
So
war die Zeit, über die der alte Karton wacht und die Fotografien
berichten. Doch sie erzählen keine Geschichten aus der großen,
weiten Welt, ihre Geschichten spielen in unserem Kleinstadtmilieu. ...
***
Vor die Vorfreude auf die nächste Ausgabe dieses Journals hat die innere Logik und die Tadition einen Blick auf die nächsten "Gedichte des Tages" gestellt:
Das "Codewort" der heutigen Gedichte des Tages lautet "Naivität". Ich möchte so gern den kleinen Jungen spielen, der dem Soldaten in Kampfstellung auf den Stahlhelm pinkelt ... oder dem Datensammelüberwachungsoberassistenten, dem jeder seinen virtuellen "Fingerabdruck" hinterlassen hat, der dies hier gerade gelesen hat. Egal. Gönnen wir uns die nicht zu anspruchsvollen Gedichte
und "Ohne Tippfehler!"
.
.
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen