Sonntag, 17. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1913

.Es war ja versprochen worden: Wenn zwei Sammlungen mit Geschichten nebeneinander erzählt werden sollen, dann muss gelegentlich von der einen zur anderen gesprungen werden. Nun  also wieder ein Text aus

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Thomas Staufenbiel

Lange Ohren im Hausflur (2)

... Bis dahin sind wir bestimmt über alle Berge. Nur einen Nachteil hat das Ganze schon. Irgendwann bekommen wir Hunger, die Mütter werden sich Sorgen machen und die Väter vielleicht die Polizei rufen, um uns zu suchen. Und dann haben sie bestimmt auch den Hasen schon gefunden und alles wird noch viel schlimmer.
Wir müssen die Tür offen lassen, meint Hans. Das Hasengekritzel ist innen, dann wird es keiner sehen. Ich werde nichts verraten. Lisa ist ein wenig traurig, dass Hans ihr schönes Bild als Gekritzel bezeichnet. Aber sie merkt, dass auch er nur helfen will, den Ärger fernzuhalten. Hans' Vater, der Hausmeister Schönbaum, würde uns Beine machen, soviel steht fest. Also öffnen wir die Tür und stehen plötzlich im hellen Licht der Nachmittagssonne und uns gegenüber Lisas Mutter, Frau Geisbier. Wir fühlen uns ertappt und stammeln ein Guten Tag. Frau Geisbier freut sich über uns, wie aufmerksam wir doch sind und ihr die Tür aufhalten. Uns schlägt das Herz bis zum Hals, Lisa kann ihre Mutter gar nicht anschauen und läuft an ihr vorbei aus dem Haus. Hans hat die Lage sofort unter Kontrolle und hilft, die schweren Einkäufe in die Wohnung zu tragen. Ich bleibe an der Tür stehen und achte darauf, dass niemand etwas von dem Gemälde zu sehen bekommt.
Da läuft Oliver hinter Frau Geisbier hinterher und zupft ihr am Ärmel. Wir haben jetzt einen Hasen, ruft er freudig aus. Ich sehe nur, wie Hans beinahe vor Schreck den Einkaufsbeutel fallen lässt. Einen Hasen, antwortet Lisas Mutter, aha. Wo ist der denn? Doch da bin ich schon wie der Sausewind die Treppe hinaufgelaufen, habe Oliver am Ärmel gepackt und geschimpft, er solle nicht immer solche Geschichten erzählen. Frau Geisbier lacht und Oliver heult los wie ein Schlosshund bei Vollmond.
Heute muss ich lächeln, wenn ich an den kleinen Oliver denke. Der ist inzwischen mit allen Wassern gewaschen und lässt sich nicht mehr so leicht unterkriegen. Weit hat er es gebracht in den letzten drei Jahrzehnten. Und Lisa, unsere kleine Künstlerin, hat ihr Hobby zum Beruf gemacht, ist glücklich, hat selbst längst Kinder. Aber den Oliver hat sie trotzdem niemals wirklich aus den Augen verloren, ist auch heute noch wie eine große Schwester zu ihm. Wenn er Probleme hat, kommt er nicht etwa erst zu mir, seinem Bruder, weit gefehlt, er ruft Lisa an. Die weiß, was zu tun ist. Aber ich schweife vom Thema ab, kehren wir zurück in die Siebziger:

Olivers Weinen lockt auch Lisa wieder herbei. Alle vier versammeln wir uns ratlos an der Haustür. Vielleicht sieht ja keiner den Hasen, meint Lisa, hier ist es doch so dunkel im Hausflur. Hans versteht die Welt nicht mehr: Du hast ihn gemalt, wisch alles ab, dann sieht ihn auch keiner. Lisa will nicht. Es ist ein schöner Hase, er soll bleiben. Da wir nicht weiterwissen, lassen wir die Tür offen und ziehen uns in unser Versteck in den hintersten Winkeln des Kellers zurück. ... 

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***

Es folgen die nächsten "Gedichte des Tages":
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Liebesgedichte? Was ist das?
Müssen das nur die Anschmachtereien sein?
Klar, in "Liebe m.b.H." gibt es solche UND solche. Hier kann ich allerdings ein Testgedicht aus der fortgeschrittenen Phase einer Beziehung vorstellen: "Familiendrama mit Frau, Mann, Liebhaber und Hund", weshalb ich ein Gedicht aus dem Buch mit einem ähnlichen Traurigkeitsfaktor ausgewählt habe: Gunda Jaron / Slov ant Gali: "Selbstüberschätzung" ...

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