:
Thomas
Staufenbiel
Lange
Ohren im Hausflur (1)
Ein
Kaninchen, staunen wir. Ein Hase, berichtigt uns Lisa. Wo ist der
Unterschied, wollen wir wissen. Es ist ein Hase, beharrt Lisa. Die
Antwort genügt uns nicht, doch wir kommen nicht weiter. Gut, denken
wir, dann ist es ein Hase. Wir wollen uns nicht mit Lisa streiten und
sie hat sich doch so viel Mühe gegeben. Und trotzdem, ein Hase hat
doch längere Ohren.
Lisa
ist unsere kleine Künstlerin. Wo sie geht und steht, zückt sie ein
paar Stückchen Kreide aus dem Täschchen an ihrem Kleid und malt die
lustigsten Dinge. Mal ist es eine Sonne, die sie auf einen großen
Stein kritzelt, mal eine Blume. Auch die zerschossenen Wände der
alten Abrisshäuser sind bunt verziert mit allerlei Sachen aus der
Pflanzen- und Tierwelt. Lisa malt, was ihr in den Sinn kommt. Meinen
Bruder Oliver, den sie nicht aus den Augen lässt, für den sie sich
verantwortlich fühlt, setzt sie auf einen Stein, damit er ihr
zuschauen kann. Oliver, der Jüngste von uns, ist begeistert und
erzählt seinem braunen Teddybären
Geschichten zu Lisas Kunstwerken.
Hans
und ich spielen in der Zeit Verstecken. Wir laufen durch die
Abrisshäuser, klettern auf Mauern und kriechen durch Kellerluken.
Alles ist verwildert. Manchmal finden wir noch Dinge aus einer
anderen Welt. Da steht eine Nähmaschine. Wunderlich sieht sie aus –
kaputt, das ist klar – ein großes Handrad an der Seite,
aufgeschraubt auf einen Tisch, darunter ein Fußpedal. Sie
funktioniert nicht mehr, ist völlig verrostet. Mutter hat auch eine
Nähmaschine, weiß ich. Man muss nur den Strom anschließen, den
Schalter drücken und schon surrt sie ihr lustiges Lied. Die hier –
wir suchen das Stromkabel – hat wohl anders funktioniert.
Wir
laufen die Treppen hinauf und hinunter, stutzen. Auf halber Höhe
zwischen den Etagen, eine Tür. Vorsichtig öffnen wir den Verschlag
und staunen über das, was wir hier finden. Die Toilette, nicht in
der Wohnung, eine halbe Treppe tiefer. Wir stellen uns vor, wie Vater
morgens aufsteht, sich das Handtuch über die Schultern wirft, die
Zeitung greift – wir müssen schon früh zum Briefkasten laufen,
damit er seine Morgenlektüre genießen kann – und fröhlich die
Wohnungstür öffnet, um eine halbe Treppe tiefer zur Toilette zu
gehen. Wir lachen.
An
solchen Tagen gibt es keinen Ärger, doch heute ist das anders. Ein
Hase also. In unserem Haus. Wir betrachten das Tier, stellen uns mal
rechts, mal links neben die Tür und finden, Lisa hat sich alle Mühe
gegeben. Trotzdem ist uns nicht so recht wohl bei der Sache. Im
Hausflur ist es dunkel und so hoffen wir, dass der Hase nicht gleich
entdeckt wird. ...
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"Gedichte des Tages" gibt es auch:
Ich habe das ungute Gefühl, das Gedicht ".den moment zu retten." von Sebastian Deya und das "Testgedicht" "Gleiche Worte" von Slov ant Gali haben als Gemeinsamkeit, dass sie an einen sie Vortragende hohe Anforderungen stellen, sie stark "wirken" zu lassen. Aber vielleicht kann man sich einen solchen Vortrag auch beim Lesen vorstellen?!
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