Thomas Staufenbiel
Welt(en)weiser
Nüchtern
betrachtet, denke ich und gestatte mir einen weiteren Schluck
Martini, jenen köstlichen Aperitif aus Gin und einem Schuss Wermut,
garniert mit einer Olive oder, wie ich ihn bevorzuge, mit einer
halben Scheibe Zitrone - nüchtern betrachtet, denke ich also – und
nun habe ich den Faden verloren. So etwas passiert mir in letzter
Zeit häufig. Worüber wollte ich sprechen?
Ich
schaue mich um. Ein Zimmer, nicht gerade groß, zweckmäßig
eingerichtet. Vis-à-vis der Tür, die ich aus meinem Blickwinkel
jedoch nicht sehen kann, da mein Nacken in letzter Zeit häufiger
nach einer Massage schreit als früher, eröffnet ein großes Fenster
den Blick auf gegenüberliegende Dächer. Jürgen, denke ich –
seltsam genug, dass ich mich selbst in meinen Gedanken mit dem
Vornamen anspreche – alles ist relativ. Wir befinden uns im
Dachausbau eines alten Hauses, Baujahr 1911. Auf dem Fensterbrett
zwei hölzerne Giraffen, darunter eine Truhe im afrikanischen Look.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, das ganze Zimmer in diesem Stil
einzurichten, doch ich fand noch kein passendes Möbelstück. Mein
Blick schweift zu den beiden Regalen, Herberge für unzählige Bücher
über die wundersamen Dinge dieser Welt, Geheimnisse und
Verschwörungstheorien, und mittendrin mein Fernsehapparat.
Flatscreen. Mein Gott, denke ich schon wieder – langsam mache ich
mir mit diesem vielen Denken selbst Angst – wie lange habe ich mich
mit den alten Röhrenfernsehern herumgequält? Immer größer mussten
sie sein, die Augen werden mit den Jahren nicht besser. Aus Gründen,
die sich mir selbst nicht erschließen, kann ich es nicht ausstehen,
permanent diese Nasenfahrräder vor den Augen zu tragen.
Weiter
schweift mein Blick und findet, fast schon unerwartet, so sehr war
ich in Gedanken, auf dem Zweisitzer schräg gegenüber meinen alten
Freund und Weggefährten Klaus sitzend.
Richtig,
schießt es mir durch den Kopf, der ist ja auch noch da. Sitzt dort
auf dem Sofa und schlürft genüsslich eben jenen Martini, den ich
ihm vorhin zubereitet habe. Warum ist Klaus hier? Ich kann mich an
keinen Grund erinnern, es scheint für ihn offensichtlich zur
Gewohnheit geworden zu sein, unan-gemeldet bei mir hereinzuschneien
und sich genüsslich meinen Alkohol schmecken zu lassen. Fürwahr, er
kann sich über einen Mangel an Gastfreundlichkeit nicht beschweren,
auch wenn ich ihn oft kurzhalte. Viel zu selten steht er selbst mit
einer guten Flasche Wein oder anderen anregenden Getränken vor der
Tür. Viel öfter erbittet er mit den Worten „Da bin ich, altes
Haus, alles dobsche?“ Einlass und lässt sich von mir aushalten. ...
.***
Den Ausblick auf die nächsten "Gedichte des Tages" haben wir uns weltenweise verdient:
Nein, es ist keine Assoziation zu Dante beabsichtigt. In dem Testgedicht vonSlov ant Gali geht es allein um "Dichters Inferno" ...
Spötter mögen sagen, "drei weisheiten für moderne kapitalisten" mögen drei aphoristische Sprüche sein aber noch kein Gedicht, aber wann ist ein Gedicht ein Gedicht?
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