Donnerstag, 22. November 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1583


Ich wurde gerügt, den 9. November nicht genügend beachtet zu haben. Da damit nicht der Tag des "Mauerfalls" gemeint war, verstand sich von selbst. Es ging also um den Tag, an dem erstmal deutsche Massen in einen braunen Mob verwandeltzur Plünderungsschlacht durch die Gassen zogen. Nachdem sie sich auf die Juden hatten hetzen lassen, war dann bald Europa dran. 
Immerhin aber habe ich meinen Beitrag eingereicht in "Worte gegen Rechts" von ver.di, der letztendlich den Titel "Kehricht" bekommen hat, aber ich habe ja auch früher von den rassisch-nationalistischen Dumpfköpfen halte:


Denken hilft! hätte ich unter alles schreiben wollen ... aber bei manchen hilft es eben nicht mehr. Da ziehe ich Querdenkerinnen wie Marie vor ... auch wenn dabei zwischendurch merkwürdige Blüten ins Kraut schießen ...
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Slov ant Gali: Stochern im Nebel (44)


... „Die denken, sie könnten die Menschen zu ihrem Glück zwingen.“ Kopfschüttelnd sah ich den Bussen nach. „Is doch so was von sinnlos. Entgeht ja sowieso keiner seinem Ende.“
„Ich hatte Panik erwartet. Flüchtende Massen. Stattdessen werden sie mit Knastbussen weggeschafft.“ Auch Jule waren die Bilder nicht geheuer.
„Die Fluchtwelle ist ja schon raus. Was weiß ich, warum jetzt überhaupt noch Menschen da sind, zumindest normale.“
„Das musst du gerade sagen“, brummte Jule.
„Wieso? Hab ich je behauptet, normal zu sein?“ Ich lachte. „Dann wär ich ja wohl nich hier. Würd brav in meinem Kaff warten. Oder mich evakuieren lassen, wenn das irgendein Kommandant so anordnet. Bloß, um paar Tage später trotzdem zu sterben. Pass lieber auf: Wenn die uns mit den Normalos zusammensperren, dann war die ganze Tour umsonst.“ Aber, ehrlich gesagt, war mir allein schon die mehrspurige Straße nicht geheuer, die so verlassen nackt neben uns lag. Tot. Immer unruhiger suchte ich nach einer Abzweigung auf eine Nebenstraße. Zumindest die Gefahr einer Kontrolle war dann kleiner. Aber es wären natürlich zusätzliche Kilometer gewesen.
„Und was ist, wenn die Prophezeiung nichts als Zufall war?“ Jule klammerte sich jetzt an meinen Arm.
„Hast immer noch nicht aufgegeben?“ Ich brummte unwillig. „Na ja, was willst du? Dann sterben wir eben. Die andern ja auch. Aber wir haben uns bewegt. Das ist immer besser. Du kannst ja immer noch umkehren.“
Jule war tatsächlich unschlüssig stehen geblieben. Schwankte, ob sie weiter mitgehen sollte. Sah sich suchend um. Gerade in diesem Moment war weit und breit kein Menschzu sehen außer mir. Ich war nun schon fast 50 Meter weiter und tat so, als interessierte ich mich überhaupt nicht für sie.
„Marie, warte!“ Endlich rannte Jule los. Ich ließ sie aufschließen, atmete auf. Ohne sie anzusehen, legte ich ihr einen Arm auf die Schultern. „Alles klar?“
Als Antwort ging Jule etwas schneller.
An der Landsberger Chaussee durchkämmten Soldaten die Häuser. „Da nehmen noch andere außer uns die Evakuierungsbefehle nicht ernst.“ Jule lächelte. Ich natürlich auch.
Wir kamen Hellersdorf immer näher. Jule murmelte: „Ich weiß, ich nerve. Aber noch können wir umdrehen.“
„Das kannste aber laut sagen! Du nervst wirklich. Wir ziehen das jetzt durch und Schluss!“
Die Mühen der Soldaten, das Gebiet abzuschirmen, stachelten mich erst richtig an. Immer wieder Hinhocken oder Hinwerfen, von Deckung zu Deckung vorwärts. ...

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