Mittwoch, 6. Juli 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1076


wie ein Regentropfen
an einem heißen
Sommertag
kamst du
in mein Leben
unerwartet
und erfrischend

spültest
das Grau
von meinen Gedanken
erwecktest
verkümmert Geglaubtes
zu neuer Blüte
fülltest
den Kelch
der Erkenntnis
neu

in
 jedem
  neuen
   Tropfen
     suche
        ich
     nach
   Spuren
  von
dir


Das ist das eine Angebot unter den "Gedichten des Tages" von übermorgen. Die beiden anderen sind  "worträume 2.0"-Kandidat   "wölfische Reise"  und aus 2008  in der schwingtür.



SOZAC – das Glück hat einen Namen (3)

...
94 Euro.“
Juliane legte einen Hunderter hin und trat mit dem Wechselgeld zur Seite.
So viel? Sie überrechnete den kleinen Einkauf. Was kostete dann eine Pille? Sie kam auf 18 Euro, denn die Packung enthielt drei Stück.
Endlich funktionierte ihr Gehirn wie bei einer guten Fondsmanagerin. Was waren die Bedingungen? Bei zwei Pillen am Tag kostete das SOZAC 1080 Euro im Monat. Die Hausraten machten 800 Euro. Für die nötigsten Lebensmittel brauchte sie etwa 300. Dazu Fahrkosten, Kleidung, Versicherungen, Unerwartetes – bei einem Nettomonatseinkommen von 2700 Euro blieb SOZAC Luxus.
Missmutig warf Juliane eine der Pillen in den Mund, stürmte zum Fahrstuhl. Freudestrahlend kam sie wieder heraus.
Hallo, Kinder!“
Die Kollegen nahmen ihre Päckchen und die Bestellbons entgegen. Twiggy schaute um die Ecke. Juliane winkte ihr zu.
Ist gleich geklärt!“
Wenn sich jemand beschweren will, soll er doch, ist ja seine Mühe, lächelte Juliane in sich hinein. Bäume riss sie an diesem Tag nicht aus, aber sie fühlte sich die ganze Zeit unbeschwert. Ein schöner Tag.
Nachmittags im Fahrstuhl war das Pochen wieder da und das Fahrstuhlgeräusch klang quälend laut. Die Wirkung der Pille ließ nach, aber Juliane fühlte sich bereits bei dem Gedanken an die beiden übrigen besser. Unwillkürlich lachte sie: Nein, nicht die vorletzte Tablette würde sie gleich schlucken, sondern erst die zweite.
Im Briefkasten erwartete sie Werbung:
SOZAC – Das Glück hat einen Namen.
Sie haben ihre Reserven aufgebraucht?
Haben nicht ans Nachkaufen gedacht?
Dem Glücklichen fehlt kein SOZAC? Warum auch?
Und jetzt wissen Sie nicht, was Sie tun sollen? Keine Angst. WIR wissen es und wir verraten es Ihnen auch: Ihre letzte Sorge nimmt Ihnen das SOZAC-Großpack-Abo. Wir liefern Ihnen sofort zwei Packungen SOZAC mit je 30 Stück. Sie bezahlen nur eine. Wenn die leer ist, schmeißen Sie den Beipackzettel in den Briefkasten. Am nächsten Tag ist die nächste Großpackung bei Ihnen. Oder Sie vergessen das Abgeben und haben automatisch am 30. Tag die nächsten zwei Großpackungen.
Und was kostet Sie dieser vollkommene Service?
Auf jeden Fall weniger als Sie glauben:
Die erste Lieferung erhalten Sie zum Einstiegspreis von 199,90 Euro, die folgenden Packungen mit Dynamisierungen von immer nur einem Prozent je Lieferung.
Freuen Sie sich, schon bei der ersten Großpackung gewinnen Sie 340 Euro gegenüber dem Einzelkauf. Rechnen Sie selbst, wann die erste ersparte Luxuslimousine vor Ihrem Haus parkt. Noch die Unterschrift auf dem Dauerauftrag und alle Sorgen verschwinden in Ihrer Vergangenheit.“
Juliane ergänzte die Unterlagen, steckte sie – „Porto bezahlt SOZAC für Sie“ – in den Briefkasten und erlebte traumhafte Monate.
Nie hatte sie sich derart gut mit den Kollegen verstanden. Twiggy, der sie bislang nie ohne heimlichen Hass hinterher sehen konnte, erschien in neuem Licht. Juliane tat einfach, was ihre Chefin wollte; der Rest erledigte sich über gegenseitiges Anlächeln.
Juliane sorgte sich wirklich nicht. Wenn sie gelegentlich die Abbuchungen kontrollierte, stellte sie fest, wie der SOZAC-Preis über 299,90 auf 303, von 306 auf 309,60 Euro und so weiter stieg. Wie sich die Kontoreserven lichteten! Aber wozu sollte sie sparen, wenn sie in der Gegenwart glücklich sein konnte? Als SOZAC erstmals vom Dispokredit abgebucht wurde, lachte Juliane: Sie lebte sozusagen in dem Glück, für das sie erst im nächsten Monat arbeiten würde.
Dann war es passiert.
Hatte Juliane vergessen, einen höheren Dispositionskredit zu beantragen? Hatte man ihn nicht schnell genug bearbeitet? War irrtümlich eine Sperre im Programm, die das Überschreiten des Dispos verhinderte? Juliane hätte nie über so etwas nachgegrübelt.
Nur, der letzte Auftrag wurde storniert, sie erhielt keine neue SOZAC-Lieferung, aber eine Rechnung für die letzte über 689,80 Euro zuzüglich der Reservepackung vom ersten Mal mit Zinsaufrechnung, alles in allem 1199,77 Euro.
Sie schluckte die vorletzte Kapsel in dem Gefühl, dass die Höhe der Rechnung kein Problem sein konnte. Sie würde sie sowieso nicht bezahlen können. Dann war die letzte Pille verdaut.
(Fortsetzung folgt)

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