Samstag, 30. Juli 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1100

Der dritte Autor, der es unter die besten 100 der diesjährigen internationalen Friedenslesung geschafft hat und hier verlinkt ist, war

Peter Kraus: Fliesbandfrieden

.
Es ist schon eine Freude, mehr bieten zu können als die "Gedichte des Tages" und etwas Prosa. Das ändert aber nichts daran, dass hier auf diese Gedichte verwiesen werden sollte:

Tritt mich weiter, schlag mich nur,
doch schenke mir ein Lied.
Glaub an mich, ja, setz auf mich,
Gib mir die Kraft, die zieht.
Oh, mein Buch, ja, mein Buch,
ist schon am Verwesen.
Nicht mal ich, auch nicht ich,
möchte noch drin lesen.
Reim auf Glück nur ein Stück,
gib die Hoffnung mir zurück,
Ach, mein Mund, der ist leer.
Hab zum Schenken selbst nichts mehr.
Durch das raschelnd grüne Laub
tanze ich und bin so taub.


Weiter werden am 1.8. vorgestellt: "Vom Grauen"   und   schlechte sicht

Weiter geht es prosaisch. Ja, ein kleines Stück setzen wir die Geschichte von Uljana, Onja und ihren freiwilligen und unfreiwilligen Freunden noch fort:

"Uljanas New Home"


  1. Fortsetzung

„Halt, halt! Oder hört, hört, wie Henk vorhin sagte ...“ Augenblicklich hatte sie die Aufmerksamkeit zurück. „Ich habe keine Lust mitzuerleben, wie wir uns gegenseitig im Lagerkoller fertig machen. Obwohl ich anfangs auch das für eine Möglichkeit gehalten hatte. Wenn der Computer es als wahrscheinlich ansehen müsste, dass wir uns seiner Gefangennahme wegen gegenseitig umbrächten, dachte ich, müsste er uns, seiner eigenen Logik folgen, frei lassen.“
„Krass!“ „Das ist ne Idee!“
„Die Idee hat nur einen Haken: Komuno ist wirklich tot. Der Computer wird also diese Möglichkeit wahrscheinlich nur in Betracht ziehen, wenn es schon tatsächliche Tote gegeben hat. Wen aber sollen wir umbringen, damit er uns glaubt?“
„Und wenn wir es einfach probieren? Das schadet doch nichts.“ Ojora hatte es vorgebracht, weil Onja ihre erhobene Hand gesehen hatte.
„Das werden wir natürlich gleich tun, aber für so einen kleinen Dialog mit dem Computer brauchten wir uns nicht vorher zum Palavern zusammen zu setzen. Ich gehe auch davon aus, dass die Idee scheitert. Deshalb habe ich weiter gesucht. Was haltet ihr von Folgendem: Wir zerstören den Computer wenigstens teilweise, damit er nicht mehr die Kraft aufbringt, uns hier festzuhalten. Nachher müsste es doch möglich sein, die Kari zu finden, die das Computersystem ja schon einmal repariert haben. Sie könnten dann auch ihre eingefügte Programmschleife entfernen oder vernünftig abwandeln. So. Jetzt seid ihr dran.“
Fritzi meldete sich recht ungeduldig. Ich fürchtete das Schlimmste. Wir hatten auf der letzten Beratung Jenny zur Moderatorin bestimmt. Ich hätte ihr noch ein Zeichen geben wollen, aber da sagte sie schon. „Fritzi, bitte!“
Fritzi stand auf, wartete einen Moment, sah sich in der Runde um. „Also ich weiß nicht, was es da viel zu palavern gibt. Ich bin dafür. Ich könnte mir niemand vorstellen, der freiwillig hier versauern möchte. Ich schlage vor, Uljana geht gleich rüber zum Schiff, da können wir hier gleich sitzen bleiben, und versucht es mit überzeugen. Dann bleibt nur noch die Frage, wie wir den Computer fertig machen können. Also meine Meinung: Überlasten wär elegant, geht aber nicht. Wir wissen nicht, wie viel Prozent der gesamten Energie für das Feld nötig ist, wie viel Leistung wir also aufbringen müssten, damit die nicht mehr da sind. Aber dann? Wenn er nun ganz ausfällt? Dann sind wir Näse....“
„Weißt du überhaupt, was Prozent heißt?“ rief Henk dazwischen.
„Henk, immer einer nach dem andern“, schimpfte Jenny.
„Schon gut. Ich weiß jedenfalls, dass Henk mitunter das 101. Prozent ist, das man manchmal in die Tonne hauen kann.“ Fritzi wartete die Lacher ab. „Also so was Kompliziertes fällt aus. Bleiben die Strahler. Die haben noch den Vorteil, dass wir selektiv vorgehen können. Wir entschärfen nur die nötigsten, also für uns störenden Baugruppen.“
Nein. Ich will die folgende Diskussion nicht festhalten. Es gab letztlich keinen, der Onjas und Fritzis Vorschlag abgelehnt hätte. Es stellte sich nur heraus, dass keiner so richtig wusste, welche Baugruppe wofür zuständig war. Und zum Computer gehen und ihn fragen, welche seiner Teile man zerstören solle, damit er seine neueste Programmschleife nicht mehr fahren konnte, da waren wir uns einig, dass das nicht ging. Wir waren noch voll am diskutieren, als ich los sollte, den Computer zu befragen und überzeugen.
Muss ich das jetzt beschreiben? Besser nicht. Es war eine glatte Nullnummer. Ich will auch gar nicht wissen, ob ich mich blamiert habe. Ich glaube eher weniger. Die Idee an sich war einfach doof, und das Ergebnis las man mir von weitem am Gang ab.
„Als ich in Hörweite war, hatte Hank das Wort: „Habt ihr Schlauberger eigentlich dran gedacht, dass sich der Computer seine Teilzerstörung vielleicht nicht gefallen lässt? Da könnten wir ihn ja auch anders einfach abschalten. Er muss uns sichern. Das hat er als Funktion. Um uns zu sichern, muss er funktionieren. Also ist seine Selbstverteidigung im Sinne unserer Sicherheit. Und wenn er ein Kraftfeld um das ganze Gelände aufbauen konnte, dann dürfte er auch eines um die Baracken hier aufbauen können. Dann hat er sich gesichert und damit uns. Oder umgekehrt. Wenn euch das lieber ist.“
Ich glaube, vorher wären alle begeistert mit gezückten Strahlern los gezogen, um das Raumschiff zu stürmen. Nun hockten sie da und niemand wollte mehr das Wort. Ich gebe zu, mir fiel auch keine Antwort ein, und die Vorstellung, unser Gefängnis könnte auf den Barackenplatz zusammenschrumpfen, jagte mir einen lähmenden Schrecken ein. Im Raumschiff verfügten wir wenigstens über alles Lebensnotwendige. Wie sarkastisch klang dann Jennys Zusammenfassung der ganzen Debatte: „Also bauen wir erst einmal unsere Außenunterkünfte ...“ (Sie sagte wörtlich Außenunterkünfte. „... fertig. Dann sehen wir weiter.“
So endete dieser heroische Tag. Einige von uns überwanden sich wirklich. Es war ja noch so viel zu tun, bis wir notdürftig in den Holzbaracken wohnen konnten. Es sprach keiner aus, aber alle guckten sich jetzt unsere Ausstattung draußen unter dem Gesichtspunkt an, dort leben zu müssen. Da konnte einem schon das Heulen ankommen. Von wegen Abenteuer.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Follower