Freitag, 21. Oktober 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1184

Eine schwierige Aufgabe: Einen Blick in die Arbeitsmappe wagen. Die Erzählungen von "Slov ant Gali" sollen einmal in einem Band zusammengefasst werden. Dabei sollen bereits einmal veröffentlichte und bei dieser Gelegenheit überarbeitete mit ganz neuen Texten vereinigt werden.
Begonnen wird dabei mit jenen Erzählungen, die im Band "Mein außerirdischer Liebhaber" erschienen sind. Unter diesem Titel brachte die "edition Dorante" 2009 eine eigentlich sehr interessante Sammlung aktueller SF-Erzählungen heraus. Die meisten der Geschichten meiner Kollegen las ich mit echtem Vergnügen.
Zur Eröffnung gibt es "Welcher nun bin ich?" - im Erzählungsband unter "Klone der Zeit" veröffentlicht.



Die Faszination des Unerlaubten, sie hat mich im Griff. Was ist denn in unserer Welt sonst schon verboten? So gut wie nichts. Aber diese Kapsel bedeutet Gefahr, eine schwer einzuschätzende Gefahr. Umso mehr zieht sie mich an.
Ich habe sie sogar schon benutzt. Ich bin hineingegangen, habe im Sessel Platz genommen, den Countdown abgewartet … und dann war ich in der Zukunft und habe von dort den Gentransmitter mitgebracht.
Nun wollen alle reisen wie ich. Ich aber … In meinen Träumen sehe ich mich auf der Kommandobrücke eines vorzeitlichen Schiffes, die Hand an einem Steuerrad. Ein Albtraum. Ich kann es nämlich nur in eine Richtung bewegen, obwohl ich weiß, es müsste sich rechts und links herum drehen lassen. Ausgerechnet in die Richtung, in die ich will, darf ich nicht. In all diesen Träumen unterwerfe ich mich und mein Schiff versinkt. Das heißt, ich spüre noch eine gewaltige Erschütterung und dann erwache ich mit Schweiß bedeckt und du bist vor so langer Zeit schon gestorben und das, verdammt, ist kein Traum! Werde ich denn nie darüber hinwegkommen?
Natürlich gehörten die Gründe für die Ablehnung einer Reise in die Vergangenheit zu meiner Ausbildung als Temp-Pilot. Nicht nur das Großvaterparadoxon. Aber schon damals drängten mich theoretische Unmöglichkeiten nur dazu, vielleicht doch eine praktische Möglichkeit zu finden. Verdammt, ich will doch nicht meine Vorfahren umbringen … ganz im Gegenteil!
Warum nur ließ ich dich damals abfliegen? Wenn ich nein gesagt hätte, du hättest auf mich gehört. Es geht nicht um mich, obwohl es auch um mich geht. Natürlich hätte ich es niemandem gegenüber eingestanden, um keinen Preis der Welt. Aber ich fühle mich schuldig. Wegen eines unausgesprochenen Satzes bist nicht nur du, sondern ist auch die keimende Frucht unserer vielleicht Liebe im Nichts verloren gegangen. Und nun brülle ich morgens mit mühsam unterdrückter Stimme mein Spiegelbild an: „Nein, ich bin kein Egoist!“ Dabei kann ich nicht einmal sagen, was ich am ehesten damit meine: Dass ich dich, euch habe in den Tod gehen lassen, weil ich mich nicht von Anfang an euphorisch auf die Frucht unserer spontanen Intimität gefreut hatte, oder dass ich dich nicht längst nachträglich gerettet habe oder dass ich genau das immer wieder erwäge, obwohl ich weiß, dass das für das Leben einer unbekannten Zahl von Menschen im Jetzt eine unwägbare Gefahr sein kann. In den ersten Jahren hatte ich mich fast damit abgefunden. Schicksal. Es war ja nicht ungeschehen zu machen. Aber seit ich weiß, dass ich es ungeschehen machen könnte … Inzwischen habe ich bereits das Verständnis für Vorher und Nachher, für Gut oder Böse verloren. In grauen Vorzeiten sollen die Menschen einmal gebetet haben: „... und führe uns nicht in Versuchung!“ Oh, wie gut kann ich sie verstehen, jetzt, da ich täglich gegen die Versuchung ankämpfe, mein und dein Schicksal durch eine Reise in die Vergangenheit zum Guten zu wenden. Ich kann, ich will nicht mehr!
Es ist soweit. Die Raum-Zeit-Koordinaten jenes Augenblicks, an dem ich jenes verfluchte „Aber natürlich freu ich mich mit dir; fahr nur!“ sagte, habe ich mehrmals mit verschiedenen Methoden durchgerechnet. Auch die nötige Frist, die ich in jener Zeit bleiben muss und die Koordinaten, von denen ich automatisch wieder zurückgeholt werden möchte.


Die "Gedichte des Tages" vereinen übermorgen etwas Neues und etwas sehr altes von mir: "Abschaum"und Von dem Huhn, das eine Katze sein wollte

"Stargast" aber ist:


Wie ich wohl
reagieren würde
wenn ich
einem von ihnen
auf der Straße begegnete.

Vertrauensvolle Vaterfiguren
treusorgende Hausfrauen
Mädchen mit gezurrten Zöpfen
Jungs die nie rebellieren
dabei
wollen sie doch nur verkaufen:

T-Shirts aus indischen Färbereien
geätzte Lunge, kleines Übel
schnell zusammengeleimte Plastikschuhe
mit denen die Chinesen
die westliche Welt überfluten.

Gesichter einer heilen Welt
die nur noch
in Katalogen existiert
Gesichter
der neuen Kolonialherren.  

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