Montag, 31. Oktober 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1194

Zuerst einmal die "Gedichte des Tages" von übermorgen. Da ist nichts Spektakuläres in Sicht. Etwas zum 100. Jahrestag des Titanic-Untergangs ( "14.4.1912" ), dann der Blick nach 2008 ( erwartung  ) und


Du sinkst immer tiefer
mit immer höheren Zielen
wachsen dir die Dinge
über denen du stehst
immer weiter
über den Kopf
niemand bleibt dir
nur das Gefühl
sie werden dich brauchen
als sprühst du vor Leben
das längst nicht mehr
nur in dir steckt
niemand antwortet
auf immer mehr Fragen
mehr und mehr
glaubst du zu wissen
warum es keiner je
verstehen wird
wie bitter die Tränen
bis du ganz alleine
im Dunkel bist
so dankbar
für diese eine Flamme
die unaufhörlich brennt
für diese Worte
die wie Artefakte
schon in aller Munde waren
bevor nur du sie entdecktest
so liegst du am Boden
mit dieser unglaublichen Kraft
den entferntesten Träumen
was du nie zu denken wagtest
es ist zum Greifen nahe
Dann weißt du es einfach
es ist ein Muskel
der dich halb Tod selbst
einfach weiter
immer weiter
deinen Weg gehen lässt
bis an sein Ende
hörst du ihn schlagen
die ganze Welt
kann es hören
so lange er nur lebt
wird er kommen
um sie zu retten


Dann geht es um die erste utopische Erzählung, die noch keine Veröffentlichung in "Mein außerirdischer Liebhaber" hinter sich hat. Bei dieser Geschichte gibt es einen einfachen Grund: Sie ist noch im frühen Entwurfsstadium. Aber man lese selbst. Im Augenblick wäre es die Titelgeschichte für eine eigene Sammlung:

Im Heute das Morgen

Als sie in den Hörsaal gedrängt wurde, kam ihr, zum wievielten Mal schon, der Gedanke, ihre Haare zu färben. Es war doch die natürlichste Sache der Welt. Rötliche Haare zu haben hob sie aus der Masse heraus. Wenn sie das gewollt hätte. Aber wollte sie das? Die Jungs behandelten sie wie eine besondere Beute. Eine Aufwertung für den, der sie zuerst in die Kiste bekommt. Mehr schien sie ihnen nicht zu sein. Ein Glück, dass Myra sie gewarnt hatte! So war sie der Blamage mit Tommy entgangen. Die Kerle waren eben doof. Sie begriffen nicht, was sie an ihr gehabt hätten. Warum hatte sie eigentlich nicht gefragt, was Tommy als Wettschuld aufzubringen hatte?
Jenny musste aufpassen, um nicht abgedrängt zu werden. Nein. Myra hielt zwei Plätze frei. Ganz oben. Für Peggy und sie. Obwohl … Mit Myra konnte jede Veranstaltung gegen den Baum gehen. Die fand immer etwas dazwischenzureden. Das lenkte ab. Aber die Semesterarbeit musste wenigstens ein „befriedigend“ bringen. Dann bekam sie die Anwesenheit für das Semester „Praktische psychologische Probleme extraterrestrischer Lebensentwicklung“ bescheinigt. Mehr wollte sie nicht. Um im kommenden Jahr an einem College zu studieren brauchte sie neben dem Notendurchschnitt, der kein Problem für sie war, den Beweis für das Interesse an 50 Nebenfächern. Das war viel. Eigentlich zu viel. Und extraterrestrische Lebensentwicklung interessierte sie nicht wirklich. Aber viele der Mitschüler fanden es schick. Da hatte sie die größte Chance, nachher noch ein paar Gedankengänge mit anderen zu vergleichen. Und diese Lesung war auf jeden Fall etwas Außergewöhnliches. Da ließ sich ein Dozent der Akademie zweimal im Jahr für die Schüler ihrer Kleinstadt dazu herab, vier Stunden Vortrag zu halten. Weil er selbst einmal hier geboren und obwohl er tatsächlich schon im All gewesen war. Na, vielleicht hoffte er, so schneller einen eigenen Lehrstuhl zu bekommen.
Die Plätze waren echt gut. Jenny versuchte, dieses unsinnige Gefühl wegzudrücken, gleich ginge eine Prüfung los. So also sah ein echter altehrwürdiger Hörsaal aus. Kein Computerkabinett mit Simultanarbeitsplätzen, sondern ein riesiger Raum mit Bänken, die aufsteigend angeordnet waren. Von den schätzungsweise 400 Plätzen waren inzwischen etwa 300 belegt und noch immer spuckten die beiden Doppeltüren schubsende Schüler in den Saal. Eigentlich war das eine ideale Gelegenheit. Wann konnte man sonst schon die Jungen beobachten, ohne dass die sich benahmen, als müssten sie was vorspielen? Eben ohne auf den Kontakterfolg mit ihr fixiert wie an den Monitoren. Nicht so unmittelbar vor dem Satz HAST DU ABER SCHÖNE BLAUE AUGEN! Wäre Tommy nicht gewesen, Jenny hätte es für ein gelungenes Kompliment gehalten, sich zumindest darüber gefreut. Diese Augen war neben jenen RÖTLICHEN Haaren das auffälligste Erbstück von ihrer Mutter und die war auch jetzt noch eine aufregende Frau. Was andere Mädchen mit extra eingesetzten Haftschalen zu imitieren versuchten, war bei Jenny Natur: Ihre Iris gab im Normalfall einen ungewöhnlich breiten Kreis blau leuchtenden Himmels preis. Aber wahrscheinlich hielten es eben alle für künstlich.
Noch drei Minuten. Jener legendäre George Buckinns hatten seinen Platz eingenommen. Offensichtlich nervös spielte er am Beamer herum. Wunderbar: Der würde also Zusammenfassung und Struktur des Vortrags an die Wand werfen. Jenny brauchte nur Fotos zu machen und sich ein paar spezielle Ausdrücke des Dozenten zu notieren.
Eigentlich war der Typ … Jenny hätte nicht sagen können, was sie von dem Mann halten sollte. Für einen, der schon eine Interstellarreise und erste Jahre an der Raumakademie hinter sich hatte, sah er extrem jung aus. Anfang 40 vielleicht. Jünger als Dad. Das war wahrscheinlich den Kälteschlafphasen geschuldet, die er durchlaufen hatte. Er hatte seinen Flug zu einer Zeit angetreten, als die Astronauten zum ersten Mal ihre Schlafsärge im Wechsel selbst einstellen durften. Sieben Frauen, sieben Männer. 

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