Sonntag, 30. Oktober 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1193

Ein Freund geht nicht einmal mehr ans Telefon. Nie mehr wird er das. Da entstand eines der "Gedichte des Tages" von übermorgen:


Folge mir
in ein Land, hinter dem Meer, das glänzt,
jenseits der Welt, die wir gekannt,
wartet die Welt, die wir erträumt,
samt der Freude, die wir probten.

Folge mir 
entlang der Straße, die nur Liebe sieht,
die erst entsteht in tiefer Nacht
im Lichte jenseits der Tränen
nach den vergeudeten Jahren.

Folge mir 
in ein fernes Land wie Berge hoch,
wo die Musik in uns den Himmel füllt
 in Stille singen reinen Herzens
nur diese Welt dreht sich weiter.

Nimm meine Hand
Und wir finden das Land
Über die glänzende Meer
Folge mir


Die weiteren Gedichte sind  Sebastian Deya mit "Lasst die Erde endlich beben" ... Kämpferisch, wenn auch lang und


(349) warum


Dazu folgt der Schluss der Erzählung "Abea":


Sie hörte die anderen denken, lass den Quatsch, was soll das! Aber keiner sagte etwas. Sie konnte sich losreißen, rannte, rannte, rannte.
Zu Hause redete gerade die Mutter von Samantha auf Abeas Pflegeeltern ein, ohne das Kind in der Tür zu bemerken: „… Wir haben dreißig Rollen bekommen. Wir dachten, am Wochenende tapezieren wir zusammen. Rosa Wölkchen. Sind die nicht niedlich?“
Wortlos verzog sich Abea auf ihr Zimmer.
„In der Schule häufen sich in letzter Zeit die Fälle von … Also, wenn es nicht so verrückt klänge, dann würde ich sagen Strahlenkrankheit. Genau genommen betrifft das die ganze Klasse Ihrer Tochter bis auf … na, eben bis auf Ihre Tochter selbst.“
„Das kann ja wohl nicht wahr sein.“
Samantha hatte sich erhoben.
Mrs. Widerman war ebenfalls aufgestanden.
„Ich glaube es natürlich auch nicht. Aber an mich ist von mehreren Eltern die Bitte herangetragen worden, mit Ihnen zu sprechen. Sie mögen Ihr Kind aus unserer Schule nehmen. Wie gesagt, das …“
„Ich versteh schon! Auf Wiedersehen!“
Samantha stürmte wutentbrannt heim. Kurz vor ihrem Haus traf sie ein Stein in der Nierengegend.
Stumm horchte Abea an Samanthas Bauch, dort wo jetzt nichts mehr zu hören war. Sie spürte die Hand der weinenden Mutter auf ihrem Kopf, aber sie hörte auch deren Gedanken.
Wenn du nicht wärst, dann wäre bald mein eigenes Kind da.
Leise war hinter ihnen die Tür aufgegangen. Müde warf Sam seine Tasche in eine Ecke, so dass sich „seine beiden Frauen“ erwartungsvoll zu ihm umdrehen.
„Abeas Werte sind jetzt okay. Burkland konnte nicht die geringste Radioaktivität mehr in ihren Zellen feststellen.“
Das Mädchen sprang auf, lief die Treppe hinauf, schloss sich in ihr Zimmer ein, warf sich aufs Bett und prügelte mit der Stirn auf das unschuldige Kopfkissen ein.
Oh, könnte sie doch endlich die fremden Gedanken von sich fern halten. Nein sie war kein Monster! Nicht einmal „Unser Monster“, wie in Mums Gedanken! Nein, das schon gar nicht.
Am nächsten Morgen stiegen nur noch vereinzelt Qualmwölkchen aus dem niedergebrannten Haus der Mc Faddens. Samuel Mc Fadden hielt seine zitternde Frau in den Armen. „Nicht auch noch Abea, nicht auch noch Abea!“
Wieder ist eine Stunde um.
Auf dem Schreibtisch liegt eine verschmierte Notiz. „Von einem etwa zehnjährigen Mädchen, welches ein Armeeangehöriger namens Mc Fadden oder wie auch immer angeblich aus dem Krieg mitgebracht haben will, ist im Stab nichts bekannt.“ Mir ist so egal, ob Sam sich Abea ausgedacht hat, um sich vielleicht für ein Kind zu entschuldigen, das dank seines Einsatzes gestorben ist, er bei mir nur Bestätigung sucht, dass er nicht anders hätte handeln können, oder was auch immer. Ich habe mein Geld damit verdient zuzuhören. Ich möchte nicht mehr darüber reden. Ich verabschiede den halb mumifiziert wirkenden Mann mit einem Händedruck. Die letzten Worte seiner Geschichte klingen in mir nach: „Für einen Moment, einen winzigen, aber eben einen vorhandenen Moment, ging mir durch den Kopf. Ach wäre sie doch damals schon mit verbrannt …“

4 Kommentare:

  1. Es hat mich in all den Jahren, Monaten, Wochen, nichts umhauen können, schocken schon lange nichts mehr. Aber dieses neue Gedicht von Maja Weigerding mich betreffend, im Autorenweb. Nicht weil es mich meint, sondern weil es so sehr hasst, dass ich gerade bis zur zweiten Strophe komme. Mir ist richtig schlecht. Ist das die Zukunft? Sollen diese Menschen meine Weggefährten sein? Meine Umwelt? Mein Leben?
    Ich bin gerade einfach nur leer, leer, leer...

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  2. Geht es dir gut so weit? Du wirkst sehr mitgenommen, wegen deines Freundes. Ich war mir bis eben nicht mal wirklich sicher, ob ich "herzliches Beileid" wünschen soll. Bin ich immer noch nicht wirklich, falls ja, tue ich es hiermit.

    Doch im Grunde ist es genau das, was ich gerade fühle, obwohl der Mensch eigentlich noch lebt, biologisch. Aber von meinem Engel habe ich mich eben wohl innerlich verabschiedet. Für immer, so fühlt es sich an.

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  3. Warum ficht die Ironie des Schicksals immer mit der feinsten Klinge? Das es stechen muss bis ins Herz?
    Ich kann einfach nicht mehr aufhlören zu heulen, weil dieser blanke Hass, der sich überall vor mir, wohin ich gucke, sehe, fliehe, überall breit macht.
    Und vor allem in den Ecken, aus den Ecken, wo man mich hinlocken will, wie ich glauben muss, weil ich es nicht besser weiß.
    Ich versuche sogar noch zu folgen, sehe immer, was ich erwarte. Hass und mehr Hass.
    Bis ich wirklich nicht mehr kann, in diese Richtung, einfach sitzen bleibe, ertrage.
    Was man mir selbstverständlich ankreidet, nicht zu folgen, in die Vollen, vor die Banken.
    Und belohnt mit Hass.
    Alles was mir bleibt ist die Pinnwand von Blogs, deren Betreiber ich nie sah. Die allesamt aufgehört haben mit mir zu reden.
    Niemand mehr weit und breit, daheim schon gar nicht, bei Freunden.
    Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich immer, wirklich immer versucht habe da zu sein, wenn man mich brauchte.
    Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich es noch sein werde, bevor ich endlich meinen Frieden haben darf.
    Denn aufgeben, aufgeben werde ich es wohl nie.

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  4. Hallo Basti:
    Der entscheidende Satz ist dein letzter. Du kannst dich auf niemanden verlassen (eigentlich nicht einmal auf dich selbst). Aber wenn du einfach akzeptierst, dass du manches tun MUSST, weil eben du das bist, der DAS tun muss, dann bist du DEINEM Glück schon ein Stück näher ...

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