Sonntag, 23. Oktober 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1186

Die Gedichte des Tages von übermorgen beschäftigen sich mit solchen und solchen war  blüten
und "Blüten"

sowie mit


Auf der Casting-Show
Universum sucht den Superstar
mault Gott,
er habe sich doch extra hierfür
den halben Bart abrasiert,
doch die Jury findet,
er schöpfe trotzdem
nicht genug Quote,
und außerdem sei der  
Werbespot für Rasierklingen
bereits vergeben an
homo sapiens.



 "Welcher nun bin ich?" Teil 3.

Du wirst mir antworten, gleich. Aber du darfst nicht mir antworten, wie ich da in meiner älteren Haut stecke, sondern meinem Ich von damals. Das muss gleich wieder zurück sein und du darfst vor lauter Verwirrung nicht bemerken, dass ich nicht ich war, sondern immer nur ich sein kann. Ich hoffe so sehr, dass du etwas sagst, das auch meinem damaligen Ich das Ja-Sagen leicht macht.
Inzwischen starren vielleicht vierzig Augenpaare teils entsetzt, teils begeistert, teils wahrscheinlich sogar belustigt zu unserem Tisch herüber. Er, also mein damaliges Ich, hat jetzt seine Blase geleert. Gleich wird er in der Tür stehen. Du hast vor lauter Verblüffung noch nichts gesagt. Jetzt ist mein letzter Augenblick. Ich haste zur Flügeltür, drück mich in eine Ecke, sehe mein Ich kommen, durch die Tür gehen. Ich kann mich durch die Tür von hinten sehen. Ein wahnsinniges Brüllen bricht los. Ein Glück: Damals brachte mich nichts so leicht aus der Fassung. Da werde ich doch das Richtige antworten auf Fragen, deren Sinn ich natürlich nicht verstehen kann.
Luftholen, Besinnen. Nein, die kitschigen Schmusemomente, in denen sie ihm in die Arme fliegt, hoffentlich, sind eigentlich nicht so mein Ding. Schon gar nicht, wenn ich der bin, der im Rampenlicht der Peinlichkeit steht. Außerdem läuft die Zeit. Den Temperstrahl wird mir niemand neu justieren. Es ist meine Automatik, die mich aus der Zeit zurückholen muss, in der es mich schon einmal gibt. Als ich dann an der Kellertreppe stehe, verrät mir ein Blick auf die Relativuhr, dass ich nur 550 Sekunden verbraucht habe. Ich stelle mich zurecht wie eine Statue, die gleich verschwinden wird. Langsam komme ich wieder zu Atem. Mir wird kalt. Mensch, wo bleibt die Temporation? Was ist schief gegangen?
Mir kommt es vor, als steckte ich in einer verflüssigten, sich zäh lang ziehenden Zeit fest. Ich kann doch nicht laufend auf die Uhr sehen! Ich bin schon fast bereit, über eine neue Rolle nachzudenken, also so den heimlichen Berater meines früheren Ichs zu geben, zum Beispiel. Da wird mir brennend heiß. Welch herrliches Gefühl! Wie ich das liebe! Ja, ja, bald gibt es wieder mein Ich in meiner Zeit und ich werde so glücklich sein!
Dann erkenne ich meine T-Kapsel wieder. Gleich wird die Automatik die Tür, freigeben, ich werde die vergangene Zeitphase aus den Protokollen löschen, die Zielzeitjustierung zurückstellen, Janna wecken, sie anstupsen, dass ich für meine Reise in die Zukunft bereit sei, lächelnd wie immer …
Gottchen, wie zögerlich mich diese Automatik frei gibt! Immer liegt das wirkliche Leben dahinter. Solche verdammt trägen Bewegungen zögern die schönsten Momente hinaus, bis es weh tut.
Doch das Bild, das ich zu sehen bekomme, als endlich die Tür offen ist, ist ein völlig unerwartetes. An Stelle einer schlafenden Janna erwarten mich zwei Wachmänner, die nicht nur in finstere Dienstmienen gehüllt sind, sondern an die ich mich überhaupt nicht erinnern kann. Ohne sich um meine Stammelei zu kümmern, führen sie mich in eine Isolierzelle ab. Kein Wort von ihnen außer „Jaja ...“ Bevor die Tür sich hinter mir schließt, fange ich an, die Wachleute zu beschimpfen. Aber nicht einmal das scheint sie zu stören.

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