Mittwoch, 26. Oktober 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1189

Eigentlich wäre es angebracht, dem Journal ein "journalistischeres" optisches Gerüst zu geben. Also einen Rahmen für die Lyrik, die Prosa und was denn eigentlich "Wortkultur" sein soll.

Denn im Moment bleibt es erst einmal dabei, dass Lyrik hier bedeutet, einen Blick auf die für übermorgen geplanten "Gedichte des Tages" zu werfen - eines als Beispielgedicht, zwei als Link. Diesmal sind das:


Im Trend sucht man den eigenen Stil
der, entgegen dem Trend, ihm zum Opfer fiel
modebewusst, aufgestylt und frisiert
wirkt, eben im Trend, oft so etwas kleinkariert

Wer kann dort alles und weiß oft Nichts
ging eigene Wege, Menschenmengen angesichts
dessen Freiheit, die jeder so gerne hätte
hängt oft nur am seidenen Faden, als Marionette

Wer erkennt von Morgen Glückes Kind
wo Reichtum reich macht, modisch Moden sind
die  ihre Auftritte im Rampenlicht hatten
genauer betrachtet sooft erleuchtet vom Schatten


Dazu kommt  "Die Zeit wird alles richten (5)"

und

 schlangenabgesang



Die Prosa spielt mit den kurzen Erzählungen in Fortsetzungen. Hier erlaube ich mir einfach, noch einmal an meine liebsten aus dem SF-Band "Mein außerirdischer Liebhaber" zu erinnern, die hoffentlich in einer persönlichen neuen Sammlung ("Im Heute das Morgen") dabei sein werden - allerdings dann noch einmal überarbeitet. Zuerst

Slov ant Gali "Abea" (1)

Möchte ich in fremden Gehirnen lesen können, vor allem jetzt in seinem – wo ich sowieso schon zu viel weiß? Für meinen Beruf wäre es von Vorteil. In diesem Fall aber …. Nein, wahrscheinlich möchte ich es nicht.
Ich leite den Mann zu dem Platz, an den er sich in den Sitzungen gewöhnt hat. Ich ahne, was wirklich war, aber sträube mich, wie er, gegen die Wahrheit.
Er hatte sich freiwillig gemeldet. Sondereinsatz, Sonderprämie. Sie übertrugen die Erfahrungen ihrer langjährigen überlegenen Demokratie auf das Land dieses Diktators. Klar, wurde auf sie geschossen, mussten sie für Ordnung sorgen, Waffen einsetzen, die mit Splittern und mit Strahlen alle potentiellen Mörder und Terroristen für immer handlungsunfähig machten. Dann entstanden schon einmal Berge von Menschenteilen, die sie nicht liegen lassen konnten. Schließlich waren sie hier, um Ordnung zu bringen. Und er war dran, im Schutzanzug die Terroristen zu einem Haufen zusammenzukarren, damit sie umweltverträglich entsorgt würden.
Da entdeckte er sie.
Es war eigentlich unmöglich. Die eingesetzten Befriedungsmittel durften kein Zucken zurücklassen. Doch ihre Augen sahen ihn an. Sie waren groß und wunderschön. Dunkel wie die feuchte, fruchtbare Krume seiner Heimat, frisch durchgegrubbert nach der Schneeschmelze im März. Sie schienen zu sagen, ich habe dich lieb, du Gespenst. Ich will dich retten. Hatte er das gelesen? Von diesem Gespenst von Canterbury? War er das Gespenst, das gerettet werden musste?
Er achtete nicht auf die anderen ringsum. Sah nur dieses Mädchen. Zog es aus dem Körperberg hervor. Es war verschwitzt. Eine kleine Schramme an der linken Schläfe wurde vom sandigen schwarzen Kraushaar halb verdeckt, ansonsten aber schien es unverletzt. Das Kleid oder wie man dieses Kleidungsstück nennen mochte, Burnus oder so, war gleichfalls an der linken Schulter zerrissen, so weit, dass es eine bubenhafte Brustwarze hervorschauen ließ. Das Mädchen hatte nicht die Kraft, die Blöße zu bedecken. Leben war nur noch in seinen Augen.
Für einen Moment wollte er das Kind zu dem restlichen Haufen stoßen. So verstrahlt, wie es war, würde es sowieso bald sterben. Ein Gnadenschuss würde es vor Qualen bewahren. Aber da war immer noch dieser Blick, diese Augen.
Was für ein Unsinn! Was dachte er ausgerechnet jetzt an Samantha, die so gern ein Kind gehabt hätte? Ein unbegreiflicher Reflex bewegte seinen Mund: „Wie heißt du, Mädchen?“
Er dachte sofort: Sam, bist du blöd! Sie kann dich nicht verstehen. Du müsstest durch deinen Anzug viel lauter sprechen. Und selbst dann – wie sollte dieses Mädchen deine Sprache verstehen?
Da hörte er Laute aus ihrem Mund: „Heißt du Mädchen Abea.“
Der Sergeant Samuel Mc Fadden packte das Kind an den Armen, schleppte es von dem Körperentsorgungshaufen fort zu seiner Batterie, und er drehte sich auch nicht um, als hinter ihm die Flammen mit einem dumpfen Puffen anfingen, den anderen Körpern Gnade zu erweisen.
Sie war über eine Schwelle getreten.
...

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