Samstag, 22. Oktober 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1185

Noch einmal Start mit der Prosa. Die Erzählung "Welcher nun bin ich?" Teil 2.


Ein getränktes Tuch. Alles andere ist wie immer. Die Identitytests, die Tore, die Tür der Kapsel. Diesmal aber rufe ich Janna vor der Verriegelung der Kapseltür zu, mir sei was Wichtiges für sie eingefallen. Sie vertraut mir, liebt mich wahrscheinlich, obwohl ich ihre Gefühle nie erwidern könnte. Ich habe richtig spekuliert. Janna lacht, lässt mich aus der Kapsel zurückspringen, sich umarmen und küssen, und sie beachtet nicht, dass mein zweites Durchschreiten der Tür die Automatik blockiert. Genau diese Zeit brauche ich gegen die Sicherheitsroutinen. Ich greife in die Tasche und plötzlich versucht Janna mit dem Tuch vor dem Mund vergeblich, etwas zu rufen. Schon schläft sie. Später wird sie sich weder daran erinnern, dass sie geschlafen hat noch was davor passiert ist. Sie wird mich weder verraten wollen noch können.
Ich ersetze an ihrem Pult die Zielparameter in der Zukunft durch meine in der Vergangenheit liegenden, setze die Verweildauer auf 15 Minuten fest und aktiviere den automatischen Countdown. Zurück in der Kapsel verfolge ich äußerlich gelassen den Schließvorgang der Tür. Dann wird mir heiß, erfasst mich die fast schon gewohnte Hitze, die suggeriert, ich sei flüssiges Gestein. Es scheint alles in Ordnung.
Ganz kurz nur. Schon kühle ich wieder ab. Die übliche Trägheit in den Gliedern bekämpfe ich durch einen Schlangentanz. Hoffentlich hat mich niemand bemerkt. Ich habe die Kellertreppe unter einem der Mensavorräume als Ziel programmiert. Nun heißt es Tempo. Bisher habe ich richtig gerechnet. Aber nun?
Die Schwebetür zur Mensa hat einen Glaseinsatz. Während ich von draußen den Saal zu überblicken versuche, kommt mir mein damaliges Ich von drinnen entgegen. Dieser fast vergessene, junge, ungestüme Kerl von damals, den gerade seine Blase ärgert. Warum gerade jetzt? Die Aufregung?! Er, also ich, hatte sich alles genau zurechtgelegt, was er sagen wollte. Dazwischen nun diese Ablenkung durch ein solch profanes Bedürfnis. Er gibt ihm nach. Er denkt ja, er hätte alle Zeit der Welt …
Ich lasse ihn an mir vorbei. Ich muss jetzt schnell herunterspulen, was ich damals, also er jetzt, hätte gesagt haben müssen. Ich renne auf Lydia zu, als ob mir plötzlich der Blasendrang vergangen wäre. „Bitte unterbrich mich nicht!“, rufe ich. „Ich muss es dir sagen. Genau jetzt! Ich liebe dich! So, wie ich das liebe, was da in dir wächst. Hört sich altmodisch an. Ich geb´s ja zu. Aber ich möchte bei dir bleiben, möchte dass du, dass ihr bei mir bleibt. Und nimm es bitte an: Alles, was dich betrifft, betrifft auch mich. Ich habe Angst um dich, egal wo du bist, aber ich sorge mich gern um dich, ich kann nichts dagegen tun. Deshalb bitte bring dich nicht in Gefahr, bitte, auch meinetwegen, und ich werd´s auch nicht tun, deinetwegen ...“
Mit einem Mal erstirbt mein hastiger Redefluss. Ich nehme wahr, wie du und noch eine Reihe Anderer im Raum mich anstarrt. Wie eine Geistererscheinung. Und gleich wirst du erkennen, dass ich viel zu alt bin, um ich zu sein.



Nun ist Kraft geschöpft für die die Lyrik. Da sollen übermorgen auf dem Programm stehen

 Die Zeit wird alles richten (1) ...


und  unpoetisch


aber auch sozusagen als "Nachwort" des Libyenkrieges


Als sie Streubomben fanden, 
die sie selbst geworfen hatten,
um sie den Anderen anzulasten,
lag dazwischen ein Kind.

Also stritten sie,
was besser wäre:
In die steifen Finger
ein Gewehr zu drücken
für Schlagzeile
Diktator wirft Kindersoldaten an die Front
oder
Unschuldiges Kind trotz massivem humanitärem Einsatz nicht mehr zu retten?
oder 
 Sollen wir weiter nur aus der Luft zusehen?
oder
Diktator schiebt Kinder unter Bombenteppich der Freiheit.

Gut geölte Lügen
erwarten Abschuss
auf menschliche Zweifel. 
Wie schön
Der Diktator tot!
aussieht ...

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