Mittwoch, 2. Mai 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1377

Ausnahmsweise stehen die "Gedichte des Tages" morgen im Zeichen eines Gastautors, weil versucht werden soll, anhand zweier aktueller Beispiele die Wirkintensität künstlerischer Mittel zu illustrieren:


Wie gewinnt man ein Gefühl dafür, wann was gut geht? Einmal ganz davon abgesehen, dass Kunst auch eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, der mitunter sehr subjektiv ist. Diesmal sind zwei Gedichte von Sebastian Deya Gegenstand. Beide habe eines gemeinsam: Sie verwenden Reime als Mittel, aber sie verwenden sie schlampig. Trotzdem hätte ich sie unterschiedlich behandelt: Bei "Neuland" arbeitet der Autor mit eigentlich grauenvollen Paarreimen, die in einem Lyrikband jeden Dichter die Wutlocken aufrichten würden. Ganz anders wirkt der Text aber, sobald man ihn sich laut gesprochen vorstellt. Sofort entsteht ein Bild, WIE er zu sprechen wäre, notfallt als Rap, Bewegung dazu ... und alles funktioniert.
Anders bei "Modern Love". Das Gedicht gibt mit Strophe 1 eigentlich eine "klassische" Paarreim-Struktur vor mit nur einem anstößigem Halbtakt dazwischen. Es folgen aber immer neue neue Strophenstrukturen, bei denen man nach erbostem Lesen fürchtet, dass alles anders zu lesen, also zu betonen zu sein scheint, als man es für richtig hielte. Wobei die dritte sich an die erste Strophe anlehnt, es vielfach nur kleine Nachschliffe wären. Nur dadurch, dass man auf konventionelle Strukturen gestoßen wird, erwartet man sie auch eingehalten, während im ersten Gedicht keine Erwartungen geweckt werden, die nachher nicht eingelöst sind ...




Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (40)




... Als körperlich Schwächster im Kreis machte ich die letzten Schritte auf die Hütten zu. Mich eskortierte einer der Roboter-Ritter auf dem Hauptweg, also jenem Weg, über den „meine Menschen“ ihre Felder erreichten. Den Translator hatte ich mir umgeschnallt und mit einer Art Megafon gekoppelt. Als ich auf dem freien Platz vor den Hütten stand, erschrak ich selbst vor dem Hall der ersten Laute des Gerätes. Aber irgendwie war das Gefühl ... so musste früher Rauschgift gewirkt haben. Ich hatte etwas mit normaler menschlicher Stimme gesagt und Sekunden später überschüttete ein Schwall mit einheimischen A-Lauten übersättigter Töne den ganzen Ort.
Macht. Eine unbändige Welle von Macht. Gleichzeitig drangen meine Robbis von allen Seiten in die Hütten und begannen, deren Bewohner nach draußen zu treiben.
Dutzende Verängstigte, Wehrlose, von Schmerz und Müdigkeit Gezeichnete krochen auf den Vorplatz.
...Ihr werdet jetzt einen kurzen Schmerz im Arm empfinden. Danach wird eure Krankheit verschwinden. Ihr werdet leben können wie zuvor ...“
Ich sprach noch so einiges mehr. Wichtig dabei war eigentlich nur, dass die Robbis währenddessen die Dörfler zu einer Reihe ordneten. So konnte ich beginnen und schnell vorankommen. Der in die Oberarme geschossene Cocktail enthielt auch ein starkes, schnell wirkendes Schmerzmittel, so dass die ersten bereits Linderung empfanden, als ich erst meinen etwa dreißigsten Patienten passiert hatte. Verwunderte Ausrufe brachten zwar zuerst die Reihe etwas durcheinander, bewirkten aber auch, dass die Hinteren ohne besondere Aufforderung ihre Oberarme frei machten und mir entgegenstreckten.
Die Geimpften hieß ich sich hinsetzen. Da der Kessel immer kleiner wurde, konnte ich die ersten Robbis bereits dafür abstellen, die Hütten nach Toten zu durchsuchen und diese zu entsorgen.
Ich hatte mich dafür entschieden, die „Beerdigung“ in der ortsüblichen Form durchzuführen. Ich hatte nicht bemerkt, dass eine Schrift die Erinnerung an irgendwelche Namen hätte erhalten können, und Särge waren ein unvertretbarer und den Einheimischen ja auch unverständlicher Luxus. ...

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