Freitag, 18. Mai 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1394

Noch immer spielt die Lesung vom Mittwoch eine Rolle. Manchmal gibt man ein Urteil ab, das missverstanden werden kann. Vielleicht war das da so - dann wäre es schön, wenn sich ein missverständliches Urteil eines klugen Mannes in eine kreative Anregung verwandelt hätte für neue Beiträge für die "Gedichte des Tages":


Kann man einem Gedicht widersprechen und zustimmen zugleich?
Kann man den Versuch starten, etwas als "So ist es" zu behaupten ... und zugleich die Frage stellen "Ist es so?"
Man kann mindestens den Versuch starten ... und das muss man eben, ohne vorher die Möglichkeit des Scheiterns in Betracht zu ziehen.
Brunhild Hauschilds Gedicht hat nur einen Haken, an dem sie dem Leser eigenes Nachdenken, richtiger Mit- ja sogar Vordenken abverlangt: Wer oder was IST "diese Gesellschaft"? Ob auch die Falschen klatschen? ie Richtigen sollten es tun ... " Noch ein Urteil". Noch interessanter könnte man dieses Gedicht finden, wüsste man, auf welche Bemerkung am Rande des "Weltauslesen" sich ihr Gedicht bezieht. Aber ich biete da lieber ainen Blick auf mein drittes Gedicht. "Einladung" mit Bild ... 


Kreative Anregungen werden den utopischen Roman auf jeden Fall noch an verschiedenen Punkten in verschiedenem Umfang verändern:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (57)


Sieh mich bitte an!“
Ich war selbst erschrocken vom Klang meiner Stimme. Nicht von dem, was ich sagte, sondern wie. Dieses Herrische, das auch von meinem Vorgänger auf der Burg hätte stammen können.
Zögernd hob das Mädchen den Kopf.
Wie heißt du?“
L` an` sanja, Herr.“
Lass das Herr weg. Ich heiße Fred.“
Lansanja schwieg.
Verstehst du, Lansanja: Fred.“
Ja, Herr ... Frad.“
Es war komisch. Der Kommunikator verstand Frad offenbar nicht als Sanjas Verstümmelung meines Namens und wiederholte den nicht identifizierten Ausdruck. Das bestärkte mich bei meinem Einfall.
Gefallen euch eure Zimmer?“ Eine Antwort hatte ich nicht wirklich erwartet. So fuhr ich sofort fort. „Sanja, ihr fünf Mädchen werdet in Zukunft hier sehr wichtige Aufgaben erfüllen. Dazu ist es gut, wenn ihr schnell meine Sprache sprecht. Die werdet ihr mit diesen Geräten erlernen.“
Sanja sah mich abwartend an. Ich sah ihr nicht an, ob sie begriff, dass die Laute, die aus dem Translator nach jeder meiner Satzpausen ertönten, Übersetzungen meiner Laute in ihre Sprache waren. Ich musste davon ausgehen, dass sie nicht wusste, dass es überhaupt irgendeine andere als ihre eigene Sprache gab, dass man zu einer Klankla eben auch Baum sagen konnte. Also setzte ich fort: „Du wirst also das, was ich gesagt habe, so wiederholen, wie du es von mir gehört hast.“
Nachdem sie die Übersetzung gehört hatte, sah sie mich fragend an. „Du wirst also das, was ich gasagt haba, so wiedarholan, wie du das von mir gahört hast.“
Wunderbar“, lobte ich, „und das, was du aus dem Gerät hier gehört hast, war dasselbe in deiner Sprache.“
Schön war, dass der Translator ihren Papageienversuch richtig zurückübersetzte – auch dort, wo sie ihr A für mein E gesprochen hatte.
Ihr werdet fleißig üben. Ihr sagt etwas in eurer Sprache, hört euch dasselbe aus dem Translator an und wiederholt das dann, bis ihr euch gemerkt habt, wie das bei mir heißt. Und dann verwendet ihr hier meine Sprache.“
Ich reichte ihr einen Beutel mit fünf Translatoren. „Für jede von euch einen. Damit ihr auch alleine lernen könnt. Mal sehen, wer von euch am schnellsten lernt. Ich glaube, das wirst du sein.“
Als das Mädchen die Übersetzung hörte, huschte das erste Mal in meiner Nähe ein Lächeln über ihr Gesicht.
Nun geh! Und da sind auch Uhren für euch drin. Um sieben essen wir zusammen Abendbrot.“
Ihr verständnisloser Blick ließ mich korrigieren: „Ich ruf euch dann zum Abendbrot.“
Das war ein sehr wichtiger Schritt.
Du kannst sagen, ich hätte mich lieber befleißigen sollen, die einheimische Sprache zu lernen. Das stimmt aus mehreren Gründen nicht. Der wichtigste: Für eine lange Zeit hätte ich sie nur fehlerhaft und mit einem seltsamen Akzent beherrscht. Es hätte meine überlegene Position angefochten, wenn sie laufend meine Fehler erlebt hätten. So aber waren sie die, die schrittweise lernen mussten. Der zweite: In der Welt, die sie kennen lernen würden, gab es eine Unzahl von Dingen, für die sie sowieso meine Ausdrücke gebrauchen mussten, weil sie keine eigenen hatten. Dann trainiert das Erlernen einer fremden Sprache die Denkfähigkeit und nicht zuletzt – aber das hätte ich damals nicht so offen zugegeben – war natürlich die permanente Nutzung einer fremden Sprache ein kleiner Schritt, sie ihrer alten Welt zu entfremden.

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