Freitag, 20. Juli 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1458

Die morgigen "Gedichte des Tages" haben einen Hauch "Schule der Lyrik" abbekommen. Da geht es um "Feeling":


Das Spannende an der Lyrik ist, dass man für manches auf schmalem Grat herumturnt. Das, was gerade als Fehler angekreidet worden war, kann im nächsten Moment ein gelungenes stilistisches Mittel sein ... und wenn man lange genug sucht, findet man immer jemanden, der ruft "Aber ..."
Ich habe zwei Gedichte von Brunhild Hauschild im Pack bekommen. Ich beginne mit dem, was ich beanstanden möchte: "Potzblitz! Sommer 2012". Was entsetzte mich? "Davon" auf "Ozon" zu reimen ist ähnlich schmerzhaft wie "Känguruhs" auf "Regenschirm-Muss". Das Gedicht als Ganzeskommt als ernstes Lamento rüber. Es ist sachlich vom Inhalt. Also ist naheliegend, dass es eine sachliche reine Reimstruktur hat.
Anders das zweite: "Eichen-Prozessionsspinner -2-". Das geht mit einem Schuhsohlenaufklappreim los: "Nachtfalter" auf "ins Alter" betont normalerweise andere Takte. Aber ... Ich lachte, schüttelte den Kopf, las weiter ... und entdeckte, dass dies genau die Absicht des Gedichts war. Mit genau diesem Einstiegsreim erzeugt die Autorin exakt die Leserstimmung (laut reimgerecht falsch gelesen besonders wirksam), mit der sich der Rest erschließt. Ich war schlicht von der Verbindung einer Naturerscheinung mit dem knallharten politischen Aussagekern begeistert. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen! "Sauber" glatt gereimt hätte ich der Autorin den unreinen (aber treffenden) Ausdruck "Staatsschutz" verübeln müssen. Das Gedicht ist auf seiner Bildebene "unmöglich", was aber seine Kraft verstärkt.
Übrigens: Wenn man von Anfang an klar stellt, auf welcher Ebene man gelesen werden will, dann kann man verschiedene "Waldwege" gehn. In diesem Text ist m. E. "von Puppen" oder "vom Puppen" gleich gut möglich ...


Beim SF-Roman-Manuskript taucht das Schulmotiv nur eher peripher auf:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (120)


... Gleichmäßig und gerade rückte sie auf das Tor zu. Dahinter bildeten sich weitere Reihen und langsam blitzen auch Soldatenkörper durch. Dort marschierten offenbar Männer ohne Schilde. Ich schloss nicht aus, dass das Ersatzschildträger waren.
Ich beobachtete das Treiben von meinem Monitorraum aus. Als sich der beeindruckende Trupp dem Stadttor auf ungefähr 500 Meter genähert hatte, ging ich wieder zu meiner Schießscharte hinaus. Das Einfachste wäre, so dachte ich zumindest, das Spiel mit den Phots wie am Vortag zu wiederholen. Ich stellte die breiteste Streuung ein, grinste. Erst als nichts passierte, wurde ich unruhig. Sollten die Schilde etwa Photonenstrahlen gewachsen sein? Ich fixierte den Streuungswinkel genau auf die Breite der anrückenden Front. Auslöser und … nichts!

An den folgenden Tagen lernte ich, dass die Schilde zwar kein echter Schutz vor Photonenstrahlen waren, aber doch verhinderten dass ich auf einzelne Gegner zielen konnte als auch mein Spiel mit breit gestreuten Strahlen wiederholen konnte.
Dann begannen die Angreifer meine Bauern als arbeitende Geiseln einzusetzen. Auf die eigenen Männer konnte ich doch nicht schießen! Und sei es nur, um es mir nicht mit der Masse der Stadtbewohner zu verderben.
Letztlich musste ich tatenlos zusehen, wie die gefangenen Bauern unmittelbar vor dem Tor eine riesige Grube aushoben.
So, wie die Verteidiger der Stadt keinen Ausbruch unternehmen konnten, war zwar nunmehr auch dem Sturm auf die Stadt durch das Tor verbaut. Aber die belagernden Saks wussten nicht genau, wie vielen Verteidigern sie gegenüberstanden, nur dass wir schon zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen waren. Also lohnte eine Belagerung an breiter Front. Jeden Mauerabschnitt würde ich nicht gleich gut verteidigen können. Und die der Belagerer wussten um die geringste Kampferfahrung meiner Stadtbürger.

  In den Momenten solcher Grübeleien reifte der Gedanke, dass ich genau daran etwas ändern musste. Ich konnte bei aller technischen Überlegenheit mit meinen wenigen Robbis nicht einer 100000-Mann-Armee standhalten. Ich hatte ja nicht einmal eine Vorstellung, wie sich die Saks den Sturm auf die Stadt praktisch vorstellten. Sie zeigten auch wenig Eifer, mir das zu zeigen. Alle Soldaten und Arbeiter verließen ihre Positionen unmittelbar vor dem Tor wieder. Sollte es Tote gegeben haben, so schleppten sie die mit. Vielleicht einhundert Meter vor dem Grabenring errichteten sie eine Art Zaun aus diesen Hochschilden. Wie viele Männer sich dahinter verbargen und ob überhaupt, war von der Stadtmauer aus nicht zu erkennen.
Von nun an geschah nichts. Zumindest nichts, was ich hätte beobachten können.
Wenn hinter dem Schilderzaun nur 20000 Söldner lauerten und 80000 waren auf der Jagd oder bei der Ernte oder wie auch immer mit der Versorgung der Truppe beschäftigt … ich würde es nicht einmal bemerken. Da andererseits die da draußen nichts von Replikatoren ahnen konnten, aber wussten, dass mehrere Tausend Bauern zu versorgen waren, die im Winter zuvor ihre Reserven hätten verbraucht haben müssen – was sonst? – durften sie erwarten, dass wir früher oder später wegen Hungers aufgeben mussten. Ein Kampf war dann gar nicht nötig …







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Follower