Sonntag, 17. März 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1683

An diesem Sonntag versuchen wir es mit brandneuer Testlyrik in Kombination mit einem "uralten" erotischen Text:

Wenn ich schreibe, dann nutze ich auch meine zwei Augen zum Testen der Gedichtbabys: das weinende und das lachende. Aber es hilft nichts: Ich lieb sie erstmal in katholischer Dreifaltigkeit als Mutter, als Vater und als Eiliger Geist. Es dauert also, bis ich zur Selbstkritik fähig werde. Wenn es dann noch um ein "Trinklied" geht, dann bügle ich mir die Melodie zurecht, und überhaupt finde ich alles "so nett" ... da muss schon ein(e) andere(r) kommen, mir zu sagen, so geht das aber nicht ....





Anjas Nachthemden (1)

Als sie sich kennen lernten, schlief Anja nackt.
Manfred hatte damals viel Kummer gehabt, privaten, beruflichen, gesundheitlichen. Wenn, dann kam alles auf einmal. Ihm war es deshalb wie ein Wunder vorgekommen, dass ihn Anja gleich am ersten Abend mit in ihr Bett nahm. Weniger verwunderlich hatte er gefunden, dass er sie in dieser Nacht nicht hatte befriedigen können. Das „Wunder“ klärte sich später auch auf: Eigentlich hatte sich Anja nur mit einem nicht zu frostigen Abschiedskuss für immer entfernen wollen; ihr Frösteln im zugigen Hausflur hatte er für Begehren gehalten und geglaubt, dem entsprechen zu müssen, womit er Anja als überraschend stürmischer Liebhaber erschienen war, weshalb sich bei ihr wirklich Begehren meldete. Er hatte sie fünf Treppen hochgetragen und schon vor ihrem nächsten Geburtstag geheiratet.
Richtig Angst jagte das Mädchen dem Jungen zu dieser Zeit ein: Immer wieder riss sie ihm die Sachen vom Leib. Selbst wenn der Reif an ihrer Ein-Zimmer-Wohnungswand glänzte, musste er „seinen Mann stehen“, was er mal konnte, aber eben mitunter auch nicht.
Äußerlich schienen die beiden einander ideal zu ergänzen – welcher Mann beichtete seinen Kumpels schon, nicht Manns genug für eine, also für diese seine Frau zu sein …
So packte er unter dem Johlen der anderen Hochzeitsgäste das Geschenk seines besten Jugendfreundes aus: ein Nachthemd, zusammengehaucht, dass es keine Überlebenschance über die erste Anprobenacht zu erwarten schien.
Auch er hatte übrigens ein Nachtkleid besorgt. Schließlich sollte Anja etwas zum Bedecken tragen, sollte sie während ihrer Hochzeitsreise über den Hotelflur schweben müssen. Eine unsinnige Idee. Das Stück blieb zusammengelegt in einer Schrankecke. ...

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