Freitag, 15. März 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1681


Gehen wir einfach einmal davon aus, dass "Der angepasste Mann" von Hanna Fleiss nicht als nachträglicher Beitrag zum Frauentag gedacht war. Dann müsste ich nämlich Protest anmelden. Leider (!) halte ich das kritisierte nicht für ein geschlechtsspezifisches Verhalten.
Dafür habe ich noch etwas am "lobbysänger" gefeilt. Aber ob dabei deutlicher wird, worum es mir dabei geht, ... kann höchstens sagen, wer einen Bezug zu dem anderen Gedicht erkennt ... 


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Slov ant Gali: Die Kontaktanzeige (9 und Schluss)


Ihr Mann hatte Erfolg. Das spürte sie. Sie sah, wie viele Seiten Text Christian am Tage geschrieben hatte. Ihr Mann war mindestens genauso aufgeräumt wie das ganze Haus. Sie hörte seine obszönen Anfeuerungskosereien und als er in sie eindrang, schrie sie das erste Mal in ihrer langjährigen Ehe leise auf. . Bisher hätten ihre Kinder mit im Schlafzimmer schlafen können, sie hätten nichts bemerkt.
Marion kleidete Christian schick und jugendlich, und Rita freute sich, dass Christian jetzt auf diesem Gebiet offensichtlich eigene Ideen entwickelte. Beide Frauen erzählten dem Schriftsteller von ihrer Erlebniswelt und Christian fand Antworten, die ihnen das Leben angenehm machten.
Dann kam der Tag, an dem Marion versehentlich mit dem Fuß ihre Studienmappe umstieß, so dass einige ihrer Unterlagen unter Aufmüpfers Garderobe im Flur rutschten.. In den nächsten Tagen vermisste Marion sie nicht, und sie wären sicher mit einer Staubschicht bedeckt in ihre Hände zurückgekehrt, wenn es am Freitag nicht windig gewesen und Rita noch einmal zurück ins Haus gekommen wäre, um sich ein Kopftuch umzubinden. Das war ihr auf den Boden gefallen. So leuchteten ihr handbeschriebene Blätter ins Auge, sie hob sie auf und wollte sie auf Christians Schreibtisch legen, da stutzte sie wegen der Handschrift. Dann stutzte sie wegen des Namens, der sorgfältig oben links auf jedes Blatt geschrieben war, und dann wegen des Datum rechts, und dann musste sie sich einen Augenblick hinsetzen.
An jenem Tag wurde Rita Aufmüpfer zweimal von ihrem Chef wegen Unaufmerksamkeit ermahnt. Marion also hieß das Wunder ihres Mannes, und sie selbst hatte das Mädchen ihrem Mann auf dem Silbertablett serviert. Warum musste die Strafe nur so durch die Hintertür kommen?
Rita Aufmüpfer war eine praktisch veranlagte Frau. Im Auto auf der Fahrt nach Hause hatte sie bereits den Gedanken verworfen, ihren Mann zur Rede zu stellen. Was wollte sie eigentlich? Hatte sie vor Marions Auftauchen denn so viel von ihrem Mann gehabt, hatte sie da so viel an Mann gehabt? Diese Studentin hatte ihren Christian mit dem Bewusstsein von Erfolg erfüllt, und sie, die Ehefrau, konnte diesen erfolgreichen Mann genießen. Sie war doch noch nicht alt, und sie hatte doch Bedürfnisse, und was für welche … Bei dem Gedanken rieben sich unwillkürlich ihre Oberschenkel aneinander, und beinahe hätte sie die nächste Kurve verpasst. Seine Männlichkeit war nicht unerschöpflich – sie würde sich schon das größere Stück sichern. Diese Studentin konnte ihr leid tun: Der bliebe nur ein ausgenächtigter Liebhaber übrig ...
Christian Aufmüpfer fühlte sich noch immer wohl. Allein, inzwischen unterhielt er sich oft lieber über Kunst mit dem jungen Mädchen, als dem Drängen ihrer Ausziehbewegungen nachzugeben. Schließlich flüchtete es sich schlechter vor dem suchenden Tasten der Frau, mit der man ständig Bett an Bett schläft, als vor der klingelnden Nachmittagsattraktion. Stückweise wurde ihm bewusst, dass er ja an seiner Frau nur die geschwundene Zuwendung vermisst hatte. Und noch etwas geisterte ihm durch den Hinterkopf: Wenn Marion nun einmal die Pille zu nehmen vergaß? Aufmüpfers Roman „Liebe nach Tageszeiten“ war fast fertig. Ihm fehlte nur noch ein deftiger Schluss. Sollte er seinem Helden das Leben mit zwei Frauen bis an sein Lebensende gönnen? Vielleicht hauchte er sein Leben zwischen den Schenkeln des Mädchens aus – das musste doch ein traumhafter Tod sein – und als Schlussbild lagen sich die heulenden Witwen an seinem Grabe in den Armen? Die Sterbeszene begeisterte ihn. Wenigstens testen würde er sie. Er spielte das vortägliche Keuchkonzert in voller Lautstärke noch einmal ab und trommelte eine Melodie in die Tasten seines Computers.
Er merkte nicht einmal, dass sich hinter ihm die Tür geöffnet hatte. Marion hatte den veranstaltungsfreien Vormittag und den „ausgeliehenen“ Haustürschlüssel sorgsam verheimlicht und sich Rolfs zunächst entgeistertes, dann aber glückstrahlendes Gesicht ausgemalt, wenn sie ihn zu so ungewohnter Stunde mit ihrer Anwesenheit überraschte. Jetzt war es an ihr, entgeistert zu sein. Ein paar Sekunden lauschte sie fassungslos dem akustischen Zeugnis ihrer Leidenschaft vom Vortag und dem Klappern der Tastatur. Dann schloss sie leise wieder die Tür. Rolf bemerkte auch das nicht. Er wunderte sich nur, dass Marion an diesem Nachmittag nicht kam. Und auch nicht an den folgenden. Er entdeckte auch den Zettelbrief auf der Garderobe unter dem Haustürschlüssel nicht: Liebe Rita, kennen Sie das neueste Manuskript Ihres Mannes? Bitten Sie ihn, es lesen zu dürfen! Ich war so dumm Er hat mich nur ausgenutzt. Alles, was wir miteinander erlebt haben, hat er für seinen Roman verarbeitet! Ich habe die Konsequenzen gezogen. Und Sie sollten ihn zum Teufel jagen – er ist weder Ihre Liebe noch Ihr Vertrauen wert. Bitte verzeihen Sie, dass ich mich nach jenem Besuch auf Ihren Mann eingelassen habe, verzeihen Sie MEINE vorübergehende Schwäche. Marion.
Rita nahm den Zettel mit ins Bad, zerriss ihn in viele Schnipsel, die sie in den kleinen Hygieneeimer schweben ließ, und betrachtete sich im Spiegel. „Was soll's? Auf Dauer kann ich mich ohnehin nicht so jung halten. Behalte ich den halb erfolgreichen Künstlermann ganz, anstatt den ganz erfolgreichen Künstlermann nicht einmal halb zu haben.“ Von nun an begleitete Rita ihren Mann an den Abenden, an denen er in Speiseräumen der Arbeiterwohlfahrt aus seinen Texten las …

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