Gehen wir einfach einmal davon aus, dass "Der angepasste Mann" von Hanna Fleiss nicht als nachträglicher Beitrag zum Frauentag gedacht war. Dann müsste ich nämlich Protest anmelden. Leider (!) halte ich das kritisierte nicht für ein geschlechtsspezifisches Verhalten.
Dafür habe ich noch etwas am "lobbysänger" gefeilt. Aber ob dabei deutlicher wird, worum es mir dabei geht, ... kann höchstens sagen, wer einen Bezug zu dem anderen Gedicht erkennt ...
..
Slov ant Gali: Die Kontaktanzeige (9 und Schluss)
Ihr Mann hatte Erfolg. Das spürte sie.
Sie sah, wie viele Seiten Text Christian am Tage geschrieben hatte.
Ihr Mann war mindestens genauso aufgeräumt wie das ganze Haus. Sie
hörte seine obszönen Anfeuerungskosereien und als er in sie
eindrang, schrie sie das erste Mal in ihrer langjährigen Ehe leise
auf. . Bisher hätten ihre Kinder mit im Schlafzimmer schlafen
können, sie hätten nichts bemerkt.
Marion kleidete Christian schick und
jugendlich, und Rita freute sich, dass Christian jetzt auf diesem
Gebiet offensichtlich eigene Ideen entwickelte. Beide Frauen
erzählten dem Schriftsteller von ihrer Erlebniswelt und Christian
fand Antworten, die ihnen das Leben angenehm machten.
Dann kam der Tag, an dem Marion
versehentlich mit dem Fuß ihre Studienmappe umstieß, so dass einige
ihrer Unterlagen unter Aufmüpfers Garderobe im Flur rutschten.. In
den nächsten Tagen vermisste Marion sie nicht, und sie wären sicher
mit einer Staubschicht bedeckt in ihre Hände zurückgekehrt, wenn es
am Freitag nicht windig gewesen und Rita noch einmal zurück ins Haus
gekommen wäre, um sich ein Kopftuch umzubinden. Das war ihr auf den
Boden gefallen. So leuchteten ihr handbeschriebene Blätter ins Auge,
sie hob sie auf und wollte sie auf Christians Schreibtisch legen, da
stutzte sie wegen der Handschrift. Dann stutzte sie wegen des Namens,
der sorgfältig oben links auf jedes Blatt geschrieben war, und dann
wegen des Datum rechts, und dann musste sie sich einen Augenblick
hinsetzen.
An jenem Tag wurde Rita Aufmüpfer
zweimal von ihrem Chef wegen Unaufmerksamkeit ermahnt. Marion also
hieß das Wunder ihres Mannes, und sie selbst hatte das Mädchen
ihrem Mann auf dem Silbertablett serviert. Warum musste die Strafe
nur so durch die Hintertür kommen?
Rita Aufmüpfer war eine praktisch
veranlagte Frau. Im Auto auf der Fahrt nach Hause hatte sie bereits
den Gedanken verworfen, ihren Mann zur Rede zu stellen. Was wollte
sie eigentlich? Hatte sie vor Marions Auftauchen denn so viel von
ihrem Mann gehabt, hatte sie da so viel an Mann gehabt? Diese
Studentin hatte ihren Christian mit dem Bewusstsein von Erfolg
erfüllt, und sie, die Ehefrau, konnte diesen erfolgreichen Mann
genießen. Sie war doch noch nicht alt, und sie hatte doch
Bedürfnisse, und was für welche … Bei dem Gedanken rieben sich
unwillkürlich ihre Oberschenkel aneinander, und beinahe hätte sie
die nächste Kurve verpasst. Seine Männlichkeit war nicht
unerschöpflich – sie würde sich schon das größere Stück
sichern. Diese Studentin konnte ihr leid tun: Der bliebe nur ein
ausgenächtigter Liebhaber übrig ...
Christian Aufmüpfer fühlte sich noch
immer wohl. Allein, inzwischen unterhielt er sich oft lieber über
Kunst mit dem jungen Mädchen, als dem Drängen ihrer
Ausziehbewegungen nachzugeben. Schließlich flüchtete es sich
schlechter vor dem suchenden Tasten der Frau, mit der man ständig
Bett an Bett schläft, als vor der klingelnden Nachmittagsattraktion.
Stückweise wurde ihm bewusst, dass er ja an seiner Frau nur die
geschwundene Zuwendung vermisst hatte. Und noch etwas
geisterte ihm durch den Hinterkopf: Wenn Marion nun einmal die Pille
zu nehmen vergaß? Aufmüpfers Roman „Liebe nach Tageszeiten“ war
fast fertig. Ihm fehlte nur noch ein deftiger Schluss. Sollte er
seinem Helden das Leben mit zwei Frauen bis an sein Lebensende
gönnen? Vielleicht hauchte er sein Leben zwischen den Schenkeln des
Mädchens aus – das musste doch ein traumhafter Tod sein – und
als Schlussbild lagen sich die heulenden Witwen an seinem Grabe in
den Armen? Die Sterbeszene begeisterte ihn. Wenigstens testen würde
er sie. Er spielte das vortägliche Keuchkonzert in voller Lautstärke
noch einmal ab und trommelte eine Melodie in die Tasten seines
Computers.
Er merkte nicht einmal, dass sich
hinter ihm die Tür geöffnet hatte. Marion hatte den
veranstaltungsfreien Vormittag und den „ausgeliehenen“
Haustürschlüssel sorgsam verheimlicht und sich Rolfs zunächst
entgeistertes, dann aber glückstrahlendes Gesicht ausgemalt, wenn
sie ihn zu so ungewohnter Stunde mit ihrer Anwesenheit überraschte.
Jetzt war es an ihr, entgeistert zu sein. Ein paar Sekunden lauschte
sie fassungslos dem akustischen Zeugnis ihrer Leidenschaft vom Vortag
und dem Klappern der Tastatur. Dann schloss sie leise wieder die Tür.
Rolf bemerkte auch das nicht. Er wunderte sich nur, dass Marion an
diesem Nachmittag nicht kam. Und auch nicht an den folgenden. Er
entdeckte auch den Zettelbrief auf der Garderobe unter dem
Haustürschlüssel nicht: Liebe Rita, kennen Sie das neueste
Manuskript Ihres Mannes? Bitten Sie ihn, es lesen zu dürfen! Ich war
so dumm … Er hat mich nur ausgenutzt.
Alles, was wir miteinander erlebt haben, hat er für seinen
Roman verarbeitet! Ich habe die Konsequenzen gezogen. Und Sie sollten
ihn zum Teufel jagen – er ist weder Ihre Liebe noch Ihr Vertrauen
wert. Bitte verzeihen Sie, dass ich mich nach jenem Besuch auf Ihren
Mann eingelassen habe, verzeihen Sie MEINE vorübergehende Schwäche.
Marion.
Rita nahm den Zettel mit ins Bad,
zerriss ihn in viele Schnipsel, die sie in den kleinen Hygieneeimer
schweben ließ, und betrachtete sich im Spiegel. „Was soll's? Auf
Dauer kann ich mich ohnehin nicht so jung halten. Behalte ich
den halb erfolgreichen Künstlermann ganz, anstatt den ganz
erfolgreichen Künstlermann nicht einmal halb zu haben.“ Von nun an
begleitete Rita ihren Mann an den Abenden, an denen er in
Speiseräumen der Arbeiterwohlfahrt aus seinen Texten las …
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