.Als "Frühlingsgedicht" kann man die melancholischen Töne von Hanna Fleiss wohl nicht gerade bezeichnen:"Fassaden und Maskeraden". Zum Glück kann man aus langer Sicht darauf antworten: "Es kann nicht ewig Winter bleiben ..."
Mit "Wir sind...." setzen wir die Vorstellung der Beiträge von Ricardo Riedlinger zu "Mit Blindenhund durchs Liebesland" fort.
Zweiter Frühling (4)
... Inzwischen war Ben
13, Anne 11 und Martina hatte irgendwann aufgehört zu suchen. Dieter
hätte nicht sagen können, wann genau …
Berlin, 11.4.
Liebe Sabine,
nun liegt dein ausgeschnittnes Bild
schon den vierten Tag bei mir auf dem Schreibtisch. Zur Zeit habe ich
viele eklige, langweilige Dinge zu erledigen. Aber immer, wenn ich am
liebsten alles hinschmeißen möchte, dann schaue ich dich an, mich
trifft dein hintergründiges Lächeln und alles geht wieder leichter
weiter. Dafür danke ich dir.
Inzwischen stürmt und wütet es und
zornige Wellen klatschen gegen das Ufer vor meinem Fenster. Ich weiß
jetzt, du stammst aus einem Märchen, einem schönen, grusligen. Dein
Vater, ja, der grollt.
Lange habe ich überlegt, warum du
mir so merkwürdig bekannt vorgekommen bist. Jetzt ist es mir
eingefallen: Nicht Sabine, Undine ist dein richtiger Name, unter dem
ich so viele Geschichten über dich gelesen habe. Das Haar war es,
das lange, glänzende, die Kette, die Augen, in denen ich als
Betrachter zu versinken scheine. Du bist ein Geschöpf der
Meerestiefen, dieses allerschönste, unwiderstehliche. Du lockst
Männer in die Unterwasserwelt, wo sie an deinem Kuss ersticken. Der
letzte Beweis fehlt zwar noch – was das Wasser da verbirgt, muss ja
kein Fischschwanz sein – aber …
Und wenn! Ich habe keine Angst. Zieh
mich in die Tiefe, und ich werde meine letzten Lebensmomente
auskosten.
Ich kann dich aber auch in ein
Menschenmädchen verwandeln, nur immer noch viel schöner als die
anderen. Willst du? Ich träume schon von dem Augenblick, in dem du
dich rein und nackt vor mich stellst und sagst: „Schau, nichts an
mir ist mehr Fisch, nichts kalt. Heiß ist mir und wenn sich durch
meine Berührung ein Stück von dir in einen Riesenaal verwandelt, so
überlasse es meinen Händen, dass ich ihn in meinen Strudel
versenke, bis wir nicht mehr wissen, wer wir waren, sind, sein
werdennur noch zittern in der Erregung des Urquells ...“Darf ich
davon träumen, dir irgendwann DANACH dein goldenes Haar zu kämmen?
Es zu streicheln?...
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