Donnerstag, 21. März 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1687

Diesmal geht es "Voran zur Natur" - egal ob zu Frühling oder Sommer oder zum verpassten zweiten Ehefrühling in der Prosa:

Wüsste man nichts von Brunhild Hauschild, könnte man annehmen, "Tauwetter" könne eine ganz gewöhnliche Reaktion auf das Bild sein, dass sich einem beim Blick aus dem Fenster bietet. Aber da könnte eben, weil die Autorin eben diese Autorin ist, eine weitere Ebene dahinter verborgen sein. Obwohl es im Jahreslauf ein Stück weiter voraus ist, bietet sich als Vergleich "Gewissheit" an ...

Anjas Nachthemden (5 und Schluss)


... Sie habe da etwas in einem Katalog gefunden, nur 2950 Euro als Kombination mit zwei passenden Nachtschränkchen. Das Ganze heiße Nachtparadies, und sie habe es schon bestellt.
Manfred kam das wie ein Wink mit einem Gartenzaun vor.

Er war an diesem Morgen allein zu Hause. Er öffnete den Kleiderschrank. Ordentlich gestapelt lagen dort zehn Nachthemden, sicher sortiert von Größe 36 unten zu Größe 40 oben, alle kaum berührt. Vor ihnen breiteten angerauhte Schlafanzüge ihre abgenutzten Massen aus.
Auch diesmal wollte Manfred Anja ein Nachthemd schenken … seiner „Eva im Paradiesbett“. Aber in diesem Jahr würde er einen langen Brief dazulegen. Er würde schildern, mit welcher Sorgfalt er das zarte Stück ausgesucht hatte, wie viele Beratungsnöte e der Verkäuferin abverlangt hatte – nicht jedes Nachthemd sei schließlich einem „Paradiesbett“ angemessen, das musste sie beücksichtigen. Damit erhoffte er Anjas Lachen. Dann aber würde er ihr treu geblieben wäre die ganzen Jahre trotz allem, und dass er es wohl bliebe; aber er hasste Schlafstrümpfe und angerauhte Schlafanzüge an seiner Frau, und er möchte sie wieder begehren, und ob sie ihn denn wieder begehren könne, aber über ihre Schatten springen – er über seinen, sie übe ihren – das könnten sie doch nur zusammen, und wenn sie dazu die Kinder die ganzen Sommerferien lang zu Verwandten geben müssten und …
Die Gedanken sprudelten nur so, wie ihre Ehe rundherum verändert werden müsste und könnte, damit sie wäre wie beim ersten Nachthemd, dem, das nicht mehr im Schrank liegen konnte. Er schrieb die Gedanken nieder, er las es, und es gefiel ihm.
Beim ersten Lesen. Dann aber wurde er unsicher.
Ach Anja, stöhnte er, warum verstehst du nicht, dass ich dir etwas sagen wollte mit all den Nachthemden, die du dann doch nicht trägst?
Manfred begann, Satz für Satz zu korrigieren. Irgendwann knüllte er das Papier zusammen, warf es in den Papierkorb und legte das Nachthemd mit einer lustigen vorgedruckten Geburtstagskarte versehen auf den Geburtstagstisch ...

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