Wüsste man nichts von Brunhild Hauschild, könnte man annehmen, "Tauwetter" könne eine ganz gewöhnliche Reaktion auf das Bild sein, dass sich einem beim Blick aus dem Fenster bietet. Aber da könnte eben, weil die Autorin eben diese Autorin ist, eine weitere Ebene dahinter verborgen sein. Obwohl es im Jahreslauf ein Stück weiter voraus ist, bietet sich als Vergleich "Gewissheit" an ...
Anjas Nachthemden (5 und Schluss)
... Sie habe da etwas in einem Katalog
gefunden, nur 2950 Euro als Kombination mit zwei passenden
Nachtschränkchen. Das Ganze heiße Nachtparadies, und sie habe es
schon bestellt.
Manfred kam das wie ein Wink mit einem
Gartenzaun vor.
Er war an diesem Morgen allein zu
Hause. Er öffnete den Kleiderschrank. Ordentlich gestapelt lagen
dort zehn Nachthemden, sicher sortiert von Größe 36 unten zu Größe
40 oben, alle kaum berührt. Vor ihnen breiteten angerauhte
Schlafanzüge ihre abgenutzten Massen aus.
Auch diesmal wollte Manfred Anja ein
Nachthemd schenken … seiner „Eva im Paradiesbett“. Aber in
diesem Jahr würde er einen langen Brief dazulegen. Er würde
schildern, mit welcher Sorgfalt er das zarte Stück ausgesucht hatte,
wie viele Beratungsnöte e der Verkäuferin abverlangt hatte –
nicht jedes Nachthemd sei schließlich einem „Paradiesbett“
angemessen, das musste sie beücksichtigen. Damit erhoffte er Anjas
Lachen. Dann aber würde er ihr treu geblieben wäre die ganzen Jahre
trotz allem, und dass er es wohl bliebe; aber er hasste
Schlafstrümpfe und angerauhte Schlafanzüge an seiner Frau, und er
möchte sie wieder begehren, und ob sie ihn denn wieder begehren
könne, aber über ihre Schatten springen – er über seinen, sie
übe ihren – das könnten sie doch nur zusammen, und wenn sie dazu
die Kinder die ganzen Sommerferien lang zu Verwandten geben müssten
und …
Die Gedanken sprudelten nur so, wie
ihre Ehe rundherum verändert werden müsste und könnte, damit sie
wäre wie beim ersten Nachthemd, dem, das nicht mehr im Schrank
liegen konnte. Er schrieb die Gedanken nieder, er las es, und es
gefiel ihm.
Beim ersten Lesen. Dann aber wurde er
unsicher.
Ach Anja, stöhnte er, warum verstehst
du nicht, dass ich dir etwas sagen wollte mit all den Nachthemden,
die du dann doch nicht trägst?
Manfred begann, Satz für Satz zu
korrigieren. Irgendwann knüllte er das Papier zusammen, warf es in
den Papierkorb und legte das Nachthemd mit einer lustigen
vorgedruckten Geburtstagskarte versehen auf den Geburtstagstisch ...
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