Mittwoch, 20. März 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1686

Traditionell zuerst die "Gedichte des Tages" von morgen:

Lyrik ist etwas sehr Eigenartiges. Als Gedicht fasst man heutzutage alles, was ver-dichtet gesagt wird. Das kann eine klare Aussage sein, das Nachempfindbarmachen eines klaren Gedanken in Worten, die man nicht überall in gleicher Weise findet, also sehr individuell ist - ich schlage als BeispielUrsula Gressmanns "glück" als Beispiel vor - es kann aber auch ein vager Anstoß zum Weiterdenken oder überhaupt zum Nachdenken über etwas sein, jaeine Verunsicherung, die uns im positiven Fall geistig voran bringt. Man kann das dem Gesang annähern, kann aber auch seine individuelle Bildsprache ausprägen ... mit der Gefahr, dass sie nicht mehr jeder versteht. Aber muss immer jeder alles verstehen? Thomas Reich"Ketchupherz".

und zum Abschluss eine Fortsetzung der Prosa:

Anjas Nachthemden (4)


... Manfred schenkte ihr trotzdem regelmäßig raffiniert gearbeitete neue. Doch es wurde eine immer mehr nur rituelle Art zu sagen: Ich will dich immer noch.

Jedoch kaufte Anja sich nun selbst dicke Schlafsocken und kuschelige Schlafanzüge. Wenn sich ein Hauch fester Männlichkeit an Manfreds abendlichem Körper rührte, dann sah er zu ihr hinüber und die Erregung machte schläfriger Geborgenheit Platz.
Bei der Ärztin sah er an sich herunter: „Schon seit Monaten hängen wir durch. Die ganze Ehe ist schlaff geworden.“
Für das Organ gab es ein Stärkungsmittel. Da lag dann Anja im Dunklen, das einzuweihende neue Nachthemd über den Bauchnabel hochgezogen, und Manfred presste ihr das Füllhorn medizinischer Leistung tief in die Verstecke vergangener Leidenschaft.
„So also geht Chemie.“ Anja zog den Schlafanzug über das Nachthemd und regte die Durchblutung ihrer Fußsohlen an. Anja und Manfred lebten weiter beieinander.
Es wurde zum familiären Ritus der Vergänglichkeit, dass in jedem Jahr ein neues Nachthemd sich vergeblich in Anjas Intim leben zu drängen hatte. Ob es Manfred einfach nur an Fantasie fehlte? Irgendwann hatte dann aber auch das Interesse nachgelassen. Da zog er selbst es vor, seine Ruhe zu haben. Gestritten haben sich die beiden ja nicht.
Anjas elfter Geburtstag im Ehebett war an sich kein besonderer, kein runder oder auf andere Weise aus der Gleichförmigkeit ausbrechender. Trotzdem beschlich Manfred schon Wochen zuvor ein vages Unbehagen. Jene Bettstatt, die ihrer beider Liebesleben das vergangene Jahrzehnt begleitet hatte, war unanshlich geworden. Ein neuer Bezug, ja, wenigstens der war inzwischen fällig.
Anja fand, eine Matratzenfeder würde sie von unten quälen, wenn Manfred denn, so er denn gelegentlich doch noch zu ihr von oben käme. Sowas Seltenes, wollte Manfred erst abwimmeln. Nein, eigentlich stöete es sie immer. Was hielte er von einem ganz neuen Bett mit Latexmatratzen, flexiblen Lattenrosten und einem verstellbaren Kopfteil? Sie habe da etwas in einem Katalog gefunden, nur 2950 Euro als Kombination mit zwei passenden Nachtschränkchen. Das Ganze heiße Nachtparadies, und sie habe es schon bestellt.
Manfred kam das wie ein Wink mit einem Gartenzaun vor. ...



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