Slov ant Gali: Kampf der Titanen (2)
... Nachtschichten
jedoch waren Bernd vertraut. Die Mutter war schon seit Jahren nicht
mehr fit auf den Beinen. Er hatte sie tagsüber versorgt. Sein
Arbeitgeber, eine Berliner Brauerei, musste im Sommer extreme
Arbeitsspitzen bewältigen. In denen ließ sich Bernd durchgängig zu
Nachtschichten einsetzen, Wochenenden eingeschlossen. So einer war
er. Außerhalb der Saison hatten sich extrem viele Stunden zum
Abbummeln angesammelt. Für alle Seiten lukrativ. Im Sommer Arbeit in
rollender Woche mit für seine dörflichen Verhältnisse fürstlicher
Entlohnung, im Winter ein Arbeitslosengeld, von dem sich noch leben
ließ. Die meisten Arbeitenden, die er kannte, bekamen für den
normalen Arbeitstag weniger.
Dann,
Bernd war gerade 42, hieß es plötzlich, die Auftragslage ist
schlecht, wir melden uns, wenn wir wieder was für dich haben.
Verzichten könnten sie nicht auf so einen einsatzbereiten Arbeiter.
Er sei ja abgesichert. Doch ausgerechnet da passierte ihm der Unfall.
Auf dem Weg nach Eberswalde und der Bruder nicht angeschnallt …
Beide Brüder landeten im Krankenhaus. Bernd ließ sich auf eigenes
Risiko nach einer Woche wieder entlassen. Es war doch sonst niemand
da für die Mutter. Allein im gemeinsamen Haus. Bernd hatte ja nur
Stahlschienen im rechten Bein. Eine Nachoperation und gut. Nur Werner
musste sich allmählich abfinden, dass der linke Fuß nicht mehr zu
retten war. Nach Hause durfte er, aber die Prothese … Bernd sagte
immer Dicker zu Werner, was bei ihm liebevoll klang wie „Digger“.
Aber Werner war nicht nur übergewichtig, in den Monaten der
Heilungsversuche ergab er sich immer mehr seinen schon vorher
vorhandenen Leiden. Er kam nur noch zu den gemeinsamen Mahlzeiten aus
seinem Zimmer oder eben, wenn er wieder zu einem seiner unzähligen
Arztbesuche gefahren werden musste. Immer wieder betonte er bei
solchen Gelegenheiten, dass er Bernd nichts vorwerfe und der müsse
ihn nicht immer fahren. Ein Taxi ginge auch. Aber das hielt natürlich
nur die Schuldgefühle wach, während Werner immer unförmiger wurde.
Als
Bernd endlich wieder seine Nachtschichten in Berlin hätte fahren
können, war gerade eine Saison zuende. Der Countdon für sein hohes
Arbeitslosengeld lief. Im nächsten Sommer - da gehörte er zu den
„Hartz IV-Empfängern“ - sprach man auf seinen Anrufbeantworter,
es sei gerade Druck und er möge SOFORT kommen. Doch Bernd war mit
Werner und der Mutter in Eberswalde auf Ärztetour. Als er am
nächsten Tag das Telefonblinken bemerkte, erklärte ihm eine Stimme,
das Problem habe sich erledigt.
Inzwischen
war Bernd in den Ämtern bekannt. Er ließ sich von Bearbeiterin zu
Bearbeiterin schicken, lächelte, sagte, „Muttchen, siehste, so
kommste mal unter Leute ...“
Die
Woche Computercurs hatte er geschafft und das Bewerbungstraining.
Dann aber sollte er einen „Ein-Euro-Job“ als Hilfsgärtner in der
Kreiverwaltung annehmen. Für einen Bauern doch was Artverwandtes,
erklärte die Sachbearbeiterin, dabei könne er wieder lernen, sich
an einen geregelten Arbeitstag zu gewöhnen. Kopfschüttelnd stand
Bernd da auf und ging. Seitdem stand in seiner Akte, er stünde dem
Arbeitsprozess nicht zur Verfügung.
In
Bernds Ohren klang das wie NICHT ZUVERLÄSSIG. Ein paar Tage spülte
er die gefühlte Abwertung mit Bier herunter, dann fiel ihm der
Computerkurs ein.
...
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Die nächsten Gedichte des Tages:
Hanna Fleiss gibt immer lyrische Denkaufgaben auf ... selbst wenn sie das vorgeblich nicht tut: Mit "Mauseloch" passte sie vortrefflich in die Sammlung "Voran zur Natur" ... Was heißt für uns eigentlich "seine Würde bewahren"? Es ist auch eine sehr persönliche Sache, wie Thomas Reichin "Dem Tod ins Gesicht gelacht" zeigt ...
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