Vorm Haus, das es nicht gab (2)
... Ach,
du kannst dir denken, was kommt? Ich wuchs einmal über mich hinaus
und habe meine Quälgeister besiegt und alles wurde gut?! Schön wäre
es ja gewesen. Nein. Zuerst kam die Flucht in die Tagträume. Für
die brennend pinkelnden Pisaminken-Ameisen wurde ich zum heldenhaft
niederknüppelnden Riesen. Dann aber … dann kam ein richtiger
Nachttraum. Ich hatte meine Träume sonst immer sofort vergessen. Die
Bilder aus diesem einen jedoch spukten noch in meinem Morgenhirn
herum. Du weißt ja, wie man als Kind ist: Ein Jahr ist eine Ewigkeit
und begonnen wie zerronnen mit dem Klingeln zu den Weihnachtsferien.
Wie es ist, so ist es eben. Ich konnte mir beim besten Willen nicht
vorstellen, dass, wenn nun einmal seit Ewigkeiten Krieg mit den
anderen Jungen meiner Siedlung herrschte, es je anders sein könnte.
In jenem Traum aber war ich den Bürgersteig entlanggelaufen vorbei
am Grundstück einer Musikerwitwe. Dort kam deren Sohn heraus, der
zwei Jahre jünger war als ich und auch gut geeignet, gehänselt zu
werden. Ich rief ihm etwas zu und achtete nicht darauf, dass mir
Klaus und Volkmar entgegenkamen. Sie sahen diesmal besonders kräftig
aus. Als mich der Schreck packte, war es zum Flüchten zu spät. Aber
die beiden riefen mich, als freuten sie mich zu sehen, aber nicht,
weil sie jemanden zum Verprügeln gefunden hatten, sondern so, wie
wenn man sich über die Begegnung mit einem alten Freund freute. Es
war ein Film in bunt, bei dem ich lügen müsste, ob ich etwas gehört
habe. Ich sah mit meinen Augen Bilder. Wir umringten einander,
scherzten. Es war alles unbegreiflich entspannt. Nebenbei sah ich auf
der gegenüberliegenden Straßenseite ein neu gebautes Haus, aus dem
ein Mädchen im Alter des Musikerjungen auf uns zu lief. Die drei
anderen Jungen irritierte das überhaupt nicht. Nur ich wusste, dass
dort kein Haus stand, und dieses Mädchen gab es auch nicht.
Verrückt, der Traum. Im Morgenerwachen war aber nur die Verwunderung
darüber übrig, dass ich mich mit Klaus und Volkmar wie mit guten
Freunden unterhalten hatte. Am liebsten hätte ich ihnen das erzählt.
Letztlich war ich aber sicher, dass die das genauso lächerlich
finden würden wie ich.
Wenige
Wochen später teilten mir meine Eltern mit, dass sie eine Wohnung
„in der Stadt“, also im Zentrum von Schwerin gefunden hatten. Wir
zogen um und ich kam auf die Halbinsel nur noch, um im Garten zu
spielen, Gemüse anzubauen und zu ernten. Ein ganzes Jahr lang betrat
ich die Siedlungsstraße nicht mehr. Im nächsten Jahr, da war ich
also neun Jahre alt, trieb mich eine unerklärliche Kraft an, ich
müsse doch einen Spaziergang machen, einmal schauen, wie das Haus
aussähe, in dem ich vorher gewohnt hatte. Stell dir meinen Schreck
vor: Schon von weitem fiel mir das Einfamilienhaus auf, das nun
zwischen den früheren Häuschen stand. Als ich es sah, fiel mir
sofort der Traum ein. Richtiger: Mir fiel sofort ein, dass ich genau
dieses Haus schon einmal in meinem Leben gesehen hatte.
Offensichtlich hatten es fremde Leute in der Zeit meiner Abwesenheit
dort errichtet. Obwohl die Sonne schien, war mir unheimlich zumute.
Krampfhaft versuchte ich wegzusehen, also zu den Grundstücken auf
meiner Straßenseite. ...
Bei den Gedichten braucht man nichts besonders zu betonen. Hanna Fleiss und Brunhild Hauschild sind ja alte Hasen ... Oops ... schnell neudeutsch gendergerecht: alte Häsinnen ... oops ... das klingt irgendwie ... nicht gut ... Also da hat bestimmt ein Antifeminist dran gearbeitet ...
Wenn ich jetzt nach draußen sehe, gebe ich Hanna Fleiss bedingt Recht: "Fünf vorm Frühling". Na gut, würde ich sagen, hier ist der Schnee geschmolzen, aber ... mir kann man es wohl nie recht machen ...
Die Frage, wodurch Brunhild Hauschild zu "Bestandsaufnahme" inspiriert worden ist, erübrigt sich, oder ...? Na gut ... man könnte natürlich sagen: ... Frau ... (Beneidenswert, in der eigenen Bilanz ein Saldo NETT zu erzielen ...)
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