Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand (4)
... Sie verführte mich damit zu einem
Trugschluss: Voreiligerweise dachte ich, so sei politische Bildung.
Im Geschichtsunterricht wurde ich eines Besseren belehrt. Der
Geschichtslehrer frönte der großen Liebe zu seinen faszinierenden
Tafelbildern. Mit feiner Schrift verteilte er über die ausgeklappte
Tafel (mitunter einschließlich Rückseite) Kästchen, zwischen denen
er Pfeile fliegen ließ. Vorher – nachher, Ursache – (Anlass) –
Wirkung … Extrem schematisch, obwohl nicht einmal undialektisch.
Von der Ursache ein dicker Pfeil zur Wirkung und darunter dann der
dünne Pfeil in Gegenrichtung dafür, dass das, was eigentlich Folge
war, auf die ursprüngliche Ursache zurückwirkte und dass es eben
Haupt- und „Neben“-Gründe derselben Sache gebe.
In diesem Fach wurde erstmals laut das
Wort „Kommunismus“ ausgesprochen. Über den Begriff wusste ich
wenig. Eigentlich nur, dass das eine „klassenlose Gesellschaft“
wäre, in der es „keinen Staat“ gäbe. Mit Klassen konnte ich
wenig anfangen, eigentlich nur mit Schulklassen, Staat aber, da
gehörten mindestens alle Gewaltinstrumente dazu. Die hat jeder, um
sich selbst zu verteidigen. Ließe also eine Seite ihren „Staat“
verschwinden, wäre der Weg der anderen Seite frei, die eigene Macht
zu erweitern. Also könnte es einen „Kommunismus“ auf der Welt
nicht geben, solange es zugleich das Anti-System Kapitalismus gäbe …
Mit dieser Schlussfolgerung begann ich; zur logischen Herleitung kam
ich nicht mehr. Mir wurde sofort das Wort entzogen, mich traf ein
Schwall von Flüchen. Mit der übelsten Bezeichnung konnte ich nichts
anfangen: „Trotzkist“. Ausgesprochen, als sei es noch etwas
Schlimmeres als Faschist und ich hätte gerade Feindpropaganda in den
Raum geworfen. Alles nur wegen einer primitiven logischen Ableitung,
hinter der ich, wenn auch umfassender begründet, heute noch stehe.
Wenn ich dem entsetzten Lehrer noch an den Kopf geworfen hätte, dass
also der entfaltete „Kommunismus“ keine Politik der friedlichen
Koexistenz kennen könne … Natürlich habe ich mir bei diesem
Lehrer weiteres lautes Denken verkniffen.
Meine Sicht der deutsch-deutschen
Fragen stammte nicht aus dem Schulunterricht. Schwerin war
glücklicherweise kein „Tal der Ahnungslosen“. Schon früh bezog
ich die Nachrichten aus aller Welt nicht rotgefiltert aus der
„Aktuellen Kamera“, sondern gegenmanipuliert von der
„Tagesschau“. Allerdings hatte ich gelernt, dass es keine
„Nachrichten“ an sich gibt. Was „Sudel-Ede“ Schnitzler aus
den Westsendungen extrahierte, war mir oft im Original aufgefallen.
Auch an dieser Stelle war ich früh Außenseiter: Mir gefiel der Typ,
der in der trüben Brühe der anderen Seite fischte.
Ganz unschuldig an meinem Verständnis
„kapitalistischen“ Denkens war sicher auch nicht, dass meine
Verwandtschaft im Westen lebte. ...
Eine der ersten Regeln beim Umgang mit Lyrik: Verwechsle nicht das "Lyrische Ich", also das "Ich" im Gedicht, mit dem Autoren, der von sICH erzählt. Was aber ... wenn die lyrischen Ichs durch dieses Wissen "gut getarnt" ein Eigenleben zu führen beginnen? Das Spiel mit diesem Gedanken verwandeltGunda Jaron in ein eigenes Gedicht ...
Bei der Vorstellung von Gedichten aus "Gemeinschaft der Glückssüchtigen" kommen wir gerade am lyrisches Spiel mit dem "Paradies"-Begriff an. Es war letztlich immer nur ein Symbol für etwas außerhalb unserer Möglichkeiten ... aber ein verführerisches Spiel ...
Übrigens ... vor 68 Jahren wurde Deutschland von der Gewalt des Faschismus befreit ... und noch immer gibt es Menschen, die das irgendwie bedauern oder sich mit den Verbrechern identifizieren, indem sie von "Kapitulation" sprechen ...
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