Sonntag, 19. Mai 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1743

Viel ist als Leseprobe aus dem neuen Buch nicht übrig. Es sollte ja nur der autobiografische Teil vorgestellt werden ...


Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand (16)



... Ich wollte und ich bekam erneut eine Chance. Ohne recht zu ahnen, was mich erwartete, landete ich im Bildungsbereich eines Außenhandelsbetriebes ...
Ohne den DDR-Staat abzulehnen (allerdings auch ohne ihn kritiklos anzunehmen) fand ich eine Nische genau für mich. Nur hatte mein „Nischendasein“ Formen, die nicht nur ihrer Zeit weit voraus waren, sondern heute schwer vorstellbar sind. Gut … Die organisatorischen Voraussetzungen für hohe Eigenständigkeit waren besonders günstig, u.a. war meine Abteilung außerhalb des Betriebes untergebracht, aber das war nicht das Entscheidende.
Meine Aufgabe war eine Dienstleistung für das Kombinat. Der Außenhandelsbetrieb war zuständig für die Auslandstätigkeit aller Kombinatsbetriebe. Alle ihre „Reise- und Auslandskader“ hatten vor ihrer ersten Auslandsdienstreise (und dann rhythmisch) einen Lehrgang zu absolvieren. Dessen Inhalt war in allgemeinen Ministeriumsplänen festgehalten - ein geballtes Gesamtstudium Außenwirtschaft, Weltanschauung und Menschenqualität / Benehmen in der Öffentlichkeit in einem. So viel also, dass auf jeden Fall abgewichen, sprich: gestrichen werden musste. Was, blieb den Bedingungen vor Ort überlassen. Ich hatte die tatsächlichen Lehrgänge zu planen und diese Planung praktisch umzusetzen. Dabei hatte ich freie Hand, wo (in der DDR) ich welche Dozenten gewann. Es wäre überhaupt nicht aufgefallen, hätte ich einige Tage nur Privatangelegenheiten erledigt. Da wäre ich eben auf Dozentensuche gewesen.
Das Maß an Kreativität bei der Arbeit war sehr hoch. Ich hätte zwar auch ohne anzuecken etwas „zum Abhaken“ machen können, aber gerade weil ich es selbst wollte, jagte ich laufend Verbesserungen hinterher. Seltsamerweise schlug das besonders die schwächsten Glieder der Abteilung in den Bann: Vier „Verantwortungsträger“ teilten sich eine Sachbearbeiterin / Schreibkraft, die nach Bedarf für jeden von uns Hilfsarbeiten zu erbringen hatte. Die erste war dabei oft in Gedanken (und am Telefonhörer) beim Bändigen ihrer pubertierenden Tochter (sie war allein erziehend) – also „abwesend“. Ihr Ruf war demzufolge: Faul, quatscht viel, hat von nichts Ahnung … usw.
Ich nutzte sie zum Ideentest und für organisatorische Aufgaben sehr komplexer Art. Ergebnis: Sie blühte allmählich auf. Sie entwickelte Vergnügen an der (Mit-)Lösung von Problemen, die nicht von vornherein lösbar schienen. Sie brachte sich in immer beeindruckenderem Umfang in die Arbeit ein. Schließlich wuchs in ihr Stolz darauf, was WIR geschafft hatten. Bei ihrer jüngeren Nachfolgerin noch mehr. Während sie von den Anderen behandelt wurde wie jemand, von dem man wenig hielt, konnte sie sich neben mir voll entfalten. Abgesehen davon, dass sie durchaus intelligent war, verstanden wir uns gut zu ergänzen. Über ihre weiblich charmanten Umgangsformen verfügte ich nun mal nicht – jeder zog aus dem Anderen die größten Nutzeffekte, zusammen erreichten wir ein Niveau, auf das wir uns einiges einbilden konnten und das jeder für sich allein nie erreicht hätte.
Beide Sachbearbeiterinnen wuchsen über sich hinaus, indem sie fast selbständig gestellte Aufgaben lösten … im Gefühl, dass eine schwierige Aufgabe von ihnen (mit) gelöst wurde, weil genau sie das ihrer ganz persönlichen Qualitäten wegen lösten. An sich banal. Aber es kann schon beeindrucken, wie weit Menschen über ihren Schatten springen können, wenn die Rahmenbedingungen dafür stimmen. Bei beiden Kolleginnen war die unterschwellige Verachtung, die ihnen meist entgegengebracht worden war, nicht von vornherein unberechtigt. Beide aber entfalteten eigene Qualitäten, sobald die als wertvoll angenommen wurden. ...

Weiter mit dem Blick auf die "Gedichte des Tages":

Petra Namyslo wagt sich poetisch Po-ethisch an "den Kapitalisten". Ein Abenteuer, das "Masse Mensch" bestehen will und bei dem die Autorin "dem Menschen" offenbar ein böses Ende prophezeit, wenn sich ein solches lyrisches Ich durchsetzt ... Da ist es sicher kein Zufall, dass ich mit "das maß" aus ""Gemeinschaft der Glückssüchtigen"" kontere. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Follower