Samstag, 11. Mai 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1735

Lasst uns erzählen und "verdichten", was wir erlebt haben. Unter diesem Motte könnte sowohl die autobiographische Prosa als auch (auf andere Art) die Lyrik stehen ...



Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand (8)



... Treffen wurden organisiert, die uns die Widersprüche von Anspruch und Wirklichkeit von „unserem“ Sozialismus vor Augen führten. Fast noch Kinder erlebten wir jungen Poeten die zerplatzende Illusion zukunftsfähigen Bauens. Aus der Not geboren, schnell das Problem zu lösen, jedem, der Wohnraum brauchte, welchen zu geben, wurden Siedlungen auf die Wiese gesetzt, die nach etwa 25 Jahren planmäßig durch etwas Neues, Richtiges hätten ersetzt werden sollen – was dann natürlich nie geschah. So beschrieb es einer der Projektanten des Neubaugebiets Großer Dreesch. Viel später erfuhr ich, dass einige der so eifrig engagierten Autoren für das Ministerium für Staatssicherheit Berichte geschrieben haben. Sie haben viel zu schreiben gehabt über uns. Nein. Ich finde es nicht gut. Menschlich traurig. Aber bei denen, von denen ich es hörte und die ich selbst erlebt hatte, wusste ich: Aus niederen Beweggründen, zum Beispiel für Geld, haben sie es nicht getan. Sie waren wirklich überzeugt, mit ihrem Tun dem „Sozialismus“ zu nutzen. Dass sie ihm letztlich schadeten, hätte ich damals noch nicht verstanden.

Ich war ehrgeizig, wollte immer besser sein. Aber irgendwie war mir klar, dass ich meine eigenen Zensuren nie wesentlich steigern konnte. Das wäre Zufall gewesen. Mir blieb nur eine andere Freude: „leistungsschwache“ Mitschüler zu guten Leistungen zu coachen. Also sie nicht abschreiben zu lassen, sondern sie zu Ergebnissen zu führen, die „man“ ihnen nicht zutraute. Das Gefühl, heimlicher „Vater“ einer guten Note Anderer zu sein, war nicht zu überbieten. Da konnte mir niemand etwas vorwerfen – Egoismus, Strebertum oder so.
In der Neunten trimmte ich unter anderem einen Mitschüler, der ein total gestörtes Verhältnis zur Mathematik hatte. Nun fiel ich in dem Fach immer noch aus dem Rahmen: Extrem langsam beim Schreiben verwendete ich abgekürzte Wege, die bei „normalen“ Schülern nicht akzeptiert worden wären. Mir war umfangreiche Lernerei sowieso suspekt. Was sollte ich nun aber dem Mitschüler erklären? Den vorgegebenen Weg Schritt für Schritt? Ich entschied mich für die Logik, die ich für mich entwickelt hatte. Immer wieder testete ich, was davon „haften geblieben“ war. Bei jedem kleinen Gedanken fragte er unsicher nervend „Soo?“ Bis ich dann irgendwann erklärte, er bekäme jetzt eine Aufgabe, die er bis zum Schluss allein lösen müsse. Nachher würden wir prüfen, warum eventuell was falsch sei. Mehrmals versuchte er, mich zu einem Blick auf sein Blatt zu animieren. Endlich bot er mir eine Lösung an. Beim ersten Blick schrak ich zurück. 14 Schritte waren normal, er hatte sechs gebraucht, sodass ich erst rief, so ginge es nicht … Bis ich feststellte, dass er aus dem, was ich ihm an Zusammenhängen erklärt hatte, einen neuen Rechenweg entwickelt hatte. Plötzlich zerfiel alle meine „genialische“ Überlegenheit. Nur Geduld war geblieben, sich einem Problem eben anders als „normal“ zu nähern. Ein „schwacher“ Schüler war also eigentlich nur einer, der andere Anregungen zum Denken brauchte, als er üblicherweise erhielt. In diesem einen Fall hatte ich solch eine Anregung gefunden. Welch ungeheures Potential musste in den Menschen stecken, wenn man sich ihrer geduldig annahm! Erstmals erschien mir „Leistung“ als Produkt von Zufällen und nicht als Ergebnis „guter“ oder „schlechter“ Schüler.

Am Ende der 10. Klasse gab es noch eine „Offenbarung“. ...

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Sollte es in Bälde die Lyriksammlung "Manche nennen es Liebe ..." geben, dann wird voraussichtlich Ricardo Riedlinger im Autorenteam sein. Mit "Kreuzgang neu" war er vor vier Jahren im "Vorgänger" "Mit Blindenhund durchs Liebesland" vertreten.
""Gemeinschaft der Glückssüchtigen"" hat nur einen Autor (Slov ant Gali), enthält dagegen neben der Lyrik auch noch Texte, die verschiedenen literarischen Genres zugerechnet werden können. Hier nun daraus das Gedicht ".vom arbeiten.".

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