Donnerstag, 30. Mai 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1753

Was versteht "man" unter Liebe? Ist das nicht eine müßige Frage in der Prosa? Jeder hat seine ganz speziellen Grenzen. Wenn zwei Menschen miteinander die Flächen entdecken, auf denen ihre Welten sich decken, dann ist das, was sie miteinander tun, richtig. Hierzu also einen Text von Anna Roth:

Anna Roth: Eine Kleiderfrage (1)


Nach zehn Jahren sollten sie ihren Hochzeitstag feiern wie andere Familien auch. Mark hatte das gesagt, um Lina heauszufordern. Eigentlich - und daher stammte ja ihre besondere Anziehungskraft auf ihn - war sie unvernünftig romantisch und irgendwie anders.
Lina hatte ihn nur böse angesehen und ihn etwas brummiger als sonst gebeten, Annis Hausaufgaben zu kontrollieren; sie schaffe es nicht mehr; heute sei doch ihr Fitnesstraining. Also hatte er sich Anni gewidmet. Ein Glück, dass das Mädchen ihn noch mit einem Blick betrachtete, als wäre er ein unenttarnter Geheimagent oder etwas anderes ganz Besonderes. Ob sie das mit der Pubertät ablegen würde? Und ob wohl ein zweites Kind ein zweites Glück wäre? Ach, wenn schon ... das verlängerte dann höchstens die Illusionen.
Gute Nacht, Papa!
Mark lief ins Bad, holte einen feuchten Lappen, lächelte Anni an, wischte ihr den Zahnpastaklecks vom Nachthemd und schleuderte sie lachend durch die Luft. Dann ließ er sie in Bett plumpsen, zog die Decke über ihr zurecht und flüsterte - in den Gute-Nacht-Kuss hinein - Träum schön, Schatz!
Nachdem er die Kinderzimmertür hinter sich zugezogen hatte, verwandelte sich sein Ich-bin-dein-Papa- und-deine-Mama-Lächeln in eine traurige Fratze. Ich hätte einen guten Politiker abgegeben, knurrte er sein Spiegelbild an.
Dann ging er den Korridor entlang, wo sich hinter einer Zwischentür das Schlafzimmer und Linas Umkleide- und Ruheraum verbargen. Sorgfältig lauschte er auf Geräusche hinter sich. Nein, Anni wollte nicht mehr pullern gehen, vielleicht war sie diesmal wirklich gleich eingeschlafen. Mark schalt sich einen unvorsichtigen Narren. Aber er konnte nicht anders. Er schloss die Zwischentür ab und öffnete den alten Kleiderschrank.
Schon seit mindestens fünf Jahren hatte Lina kaum Sachen aus diesem Schrank angezogen ...

Und damit gleich weiter zu den "Gedichten des Tages" von morgen:

Gibt es wirklich ein Leben vor dem Tode? Dieser tief philosophischen Frage widmet sich Petra Namyslo mit "Das Leben ist kurz". 
Oops ... Wer gerade etwas Heiteres erwartet hatte, ist enttäuscht ... dabei ist das Gedicht doch nicht schlecht ...
Wer nun wer fragt, ob denn "Pflichtfesselspiel" noch eine andere Ebene hat als die, die da steht, dem antworte ich, wenn er es will ...


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