Dienstag, 8. November 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1202

Der Lyrik-Blick ist wieder auf übermorgen gerichtet.
Da erwartet uns zum einen ein Gedicht, das am 10.11.2008 Gedicht des Tages gewesen ist:
  anthropologisch, dann ein "Testgedicht: "entladen"
und schließlich Ursula Gressmanns


nebel perlt grau
im laternenschein
konturen verschwimmen
gedämpft alle geräusche
windverwehtes laub
auf straßen und plätzen
weich und schwer
vor nässe
welkt und vergeht
alles was lebt
muss sterben

Nein, Den Roman "Operation Zeitensprung" von Anna Roth gibt es nicht nur als Linkverweis. Die 1. Fortsetzung folgt hier:


Die Genmücke


"Deleted!"
Der Monitor flackerte nicht ein bisschen. Sonst hätte ich gedacht, dieses Vieh von Computer lachte mich aus. Nun hatte ich den fünften Entwurf für diesen Bettelbrief wieder verschwinden lassen. Einzeln umformulierte Sätze nicht mitgezählt. Hätte ich die Briefe wirklich auf Papier geschrieben, wäre der Papierkorb längst übergequollen. Wenn die Tochter mit ihrem Vater seit sieben Jahren nur gelegentlich per Videophon kommunizierte, sollte sie bei ihrem esten neuen Kontaktversuch aber auch ein paar Zeilen mit der Hand schreiben. Und auf Briefpapier. Selbst ohne mein Psychologiestudium hätte ich das eingesehen.
Ich hab dich lieb, Dad.
Oh, doch! Mit siebzehn brachte ich solche Floskeln glaubhaft locker rüber. Und damals antwortete er wie gut programmiert: Ich dich auch, Anna." Seither waren beinahe wieder siebzehn Jahre vergangen."
Oh Gott! Das Letzte, was ich ihn von mir wissen ließ, waren Kurznachrichten wie "Es geht mir gut:" und "Ich habs geschafft!"  Da hatte ich das Diplom gemeint und dass ich die Stelle als Aspirantin erhalten hatte, beides auf einmal. Und Dad hatte nicht nach meinem Zeugnis gefragt. Von mir aus erwähnte ich es nicht. Mit dem Prädikat "Auszeichnung" wollte ich mich nicht brüsten.
Plötzlich tippte ich wie wild eine Schilderung meiner letzten Wochen in den Arbeitsspeicher. Nach vielleicht 20 Minuten sah ich auf, erschrak, als ich den letzten Satz über Manthey las, markierte alle bisherigen Formulierungen und schrieb darüber:
"Hallo Dad!
Ja ja, du hast es schon immer besse gewusst. Wenn du mir versprichst, mir das nicht laufend aufs Butterbrot zu schmieren, dann komme ich zu dir zurück. Als deine verlorene Tochter. Und ich mache auch fast alles, was du von mir verlangst. Was ich dir zuerst alles geschrieben habe, habe ich vernichtet. Aber das weiß du ja auch so.
Deine Anna"
Das schrieb ich säuberlich mit einem feinen Federhalter auf geschöpftes parfürmiertes Büttenpapier ab. Die Schriftzeichen auf dem Umschlag wären allerdings bereits wieder eines Mediziners würdig gewesen. Wenn Dad nicht mehr zwischen den Zeilen lesen konnte, bliebe die Mühe um Schönschrift sowieso vergeblich.
Aber schon nach zwei Tagen kam die Antwort:
"Liebe Anna,
wenn es soweit ist, wirst du mir erzählen, was dich quält. Dein Kinderzimmer habe ich bewahrt, wie du es verlassen hast, und in meinem Forschungsbereich ist eine Sekretärinnenstelle frei. Vorerst kann ich dir nicht mehr bieten.
Hans-Heinrich, dein überheblicher Dad"

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