Mittwoch, 16. November 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1209

Etwas Positives ist der Erwähnung wert: Gunda Jaron eroberte beim ersten internationalen "Lyrischen Lorbeer"-Wettbewerb den Silbernen Lorbeer. Ihr folgendes Gedicht wurde also als das zweitbeste unter über 430 Einsendungen bewertet:


Im Keller


Ich koste vom Krug mit gebroch'nen Versprechen,
obwohl sie die Zunge mit Bitternis netzen,
und puste verträumt von Erinnerungsfetzen
den Staub, ignoriere das schmerzhafte Stechen.

Ich wühle in Resten in gläserner Truhe
begrabener Hoffnung, die damals mir fröhlich
und farbig erschien, mit den Jahren allmählich
zerbrach und ergraute. Ich gönn' ihnen Ruhe.

Ich öffne den Schrank fast vergessener Lieben
und schnuppre den Duft, diesen süßlich', doch herben.
Ich streich' über matte, einst leuchtende Scherben
von Sehnsucht und Wünschen, die unerfüllt blieben.

Ich blättre im Buch der verbotenen Träume,
vermodert die Seiten, die zärtlichen Worte
verblasst, fast entschwunden. Ich öffne die Pforte
mit Wehmut im Herzen, verlasse die Räume.

Verberge den Schlüssel den Blicken der Leute,
verbiete mir, mich nach dem Gestern zu sehnen,
verwische die Spuren der heimlichen Tränen
und lächle und kehre zurück in das Heute.


Nichtsdestotrotz sollten die drei Gedichte des Tages übermorgen zumindest erwähnt werden:


Gastgedicht: "Kampfabstimmung" von Sebastian Deya Testgedicht: "Auf deiner Wiese" von Slov ant Gali

Gedicht vom 18.11.2008:   Liebesbrief (4)


Und was wird wohl heute die Prosa sein? Nichts Überraschendes, sondern die 8. Fortsetzung des Romans "Operation Zeitensprung" von Anna Roth 


Operation Zeitensprung - ein utopischer Roman (9)

„Und wann ist deiner Meinung nach der richtige Augenblick?“
Es war nicht leicht für mich. Er streckte sich mir mit aller Kraft entgegen. Er erwartete einen wilden Ritt, und so viel an mir wollte die Zügel locker lassen. Das war ja nicht das erste Spiel dieser Art. Ich genoss es, dass Gunti mir in diesen Dingen so vorbehaltlos vertraute. Jetzt musste er sich mir gegenüber auch bei seinem Geheimnis öffnen. Vielleicht erführe ich sonst nie etwas.
„Genau jetzt. Kein Pferd sollte in Galopp fallen, ohne ein Ziel vor Augen zu haben.“
„Ich möchte dich wenigstens ansehen dabei. Nimm mir die Binde ab! Bitte.“
„Du bist nur ein Mann. Ich liebe dich, leider.“
Das war zwar nicht logisch, aber wirksam.
„Weißt du es denn wirklich nicht?“
Guntram fragte es mit müder Stimme. Er hatte wohl schon kapituliert.
„Würde ich sonst fragen?“
„Du versaust uns den ganzen schönen Abend!“
„Erzähl schon!“
„Na gut, Anna. Aber du irrst dich. Was du da gelesen hast, bezog sich nicht auf uns. Es galt jenem Astronautenteam, das schon lange auf eine besondere Reise hin trainiert wird. Wir sollen nicht mitreisen, sondern nur alles vorbereiten.“
Leicht enttäuscht verfolgten meine Augen, wie mein Hengst zum Wallach absackte. Aber jetzt wollte ich es wissen. Notfalls würde ich Guntis Kräfte schon wieder neu beleben. Guntram schwieg einen Moment. Dann fuhr er fort:
„Dein Vater forscht schon eine Weile am Problem der Zeitreisetheorie und -praxis. Theoretisch hat er es längst gelöst. Eine interessante Sache. Und der Prototyp für ein Zeitschiff ist fast fertig. Nur halten wir sein Einsatzziel für Missbrauch: Es soll die jahrhundertelange Übermacht der Amerikaner durch eine der Europäer ersetzen.“
„Übermacht nennst du das? Ich weiß ja nicht“, sagte ich in seine Pause hinein.
Gunti sprach zögernd weiter. Ihm wurde scheinbar gerade bewusst, dass ich unser heutiges erotisch getarntes Zusammensein ebenfalls missbrauchen wollte.
„Gut, aktueller Anlass für unsere Hektik ist diese Mücke, diese Katastrophe, die die Amis durch ihren Umgang mit der Umwelt heraufbeschworen haben.“
Er musste mein Luftholen gehört haben.

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