Wem wurde noch nie erklärt, das macht man nicht? Oder das darfst du nicht? Die größte Gefahr, die ich bei dem Slov-ant-Gali-Gedicht sehe, ist ein formales Kopfschütteln: So dichtet man heute nicht mehr. Aber da heißt es, allen Mut zusammennehmen, zu grinsen: Grass hat einfach gesagt, was er da geschrieben, sei ein Gedicht ... Warum soll ich nicht sagen, dies ist modern: "Mit Pathos zu lesen (U 50)" ?!
Wer weiß, welche "Erbschaft" einmal unsere Nachkommen von uns antreten. Aber vielleicht wäre es dann besser, sie könnten sie ausschlagen ...
Nun noch zum Fortsetzungsroman:
Slov ant Gali / Gunda Jaron:
Ich wurde Gott (25)
... Langweile
ich dich?
Schließlich
erzähle ich von der Gemeinschaft, in der du geboren wurdest. Die
Saks sind dir ja von Anfang an vertraut. Du hast schon ihre Laute
gehört, als du noch nichts davon verstanden hast. Was für mich wie
ein wirres Aatschiatschascha klang, war deiner Mutter Sprache. Was
für mich ein unheimlicher Forschungsgegenstand war, war dir normales
Leben. Ich versuche mich also kurz zu fassen. Aber du musst auch
einsehen, dass es lehrreich sein kann, das, was einem ganz normal und
natürlich vorkommt, einmal mit den Augen eines Außenstehenden zu
betrachten. Vielleicht gibt dir erst das die Möglichkeit, alles in
Frage zu stellen – so wie du so Verständnis bekommst für mögliche
Missverständnisse, wenn jener Außenstehende etwas Natürliches
nicht kennt und dieses Natürliche für etwas Unnatürliches hält,
weil es bei ihm eben anders ist.
Ich
begann also meine Zeit als Voyeur. Ich wiederholte meinen Ausflug
noch einmal, nachdem ich mir sicher war, dass das Dorf so etwas wie
Wachen nicht kannte. Zehn Tage lang hatte ich dem Dorfleben
zugesehen, ohne einen Menschen – so nannte ich die Wesen ja noch -
mit einer Waffe in der Hand gesehen zu haben. War meine Perspektive
so ungünstig oder waren sie so leichtsinnig oder gab es für sie
einfach keine Gefahren? Letzteres konnte ich nach jener Begegnung mit
den Fleischbergen auf Beinen absolut nicht glauben. Eine Lebenswelt,
die keine Raubtiere kannte, widersprach aller Evolutionslogik.
Überall, wo sich etwas entwickelt, entwickelt sich auch etwas, was
verhindert, dass diese Entwicklung ausufert.
Der
erste Versuch, den Übersetzer zu starten, war zum Fiasko geworden:
Er vermochte gerade einmal etwa zehn Prozent der Zurufe eine
wahrscheinliche Bedeutung zuordnen. Und er war der Meinung, insgesamt
nur gut 200 wahrscheinliche Begriffe isoliert zu haben.
So unscheinbar primitiv die geflochtenen Hütten auch sein mochten –
sie setzten eine umfangreichere Kommunikation auf
abstrakter Ebene genauso voraus wie ein abstraktes
Vorausdenken erfordernder Ackerbau.
Den glaubte ich ja auch schon entdeckt zu haben. Ob sie sich
innerhalb ihrer Hütten mehr unterhielten? Letztlich war das nur
herauszufinden, wenn ich sie innerhalb dieser Hütten beobachtete und
belauschte.
Nein.
Das war kein Abenteuer. Ich installierte umfangreiche
Beobachtungstechnik in mehreren Hütten und verbarg sie, so gut das
möglich war. Ich bildete mir sonst was darauf ein, so geschickt und
lautlos vorgegangen zu sein, dass ich niemanden geweckt hätte. Wie
naiv! Ein paar Wochen später fand sich die Erklärung meines
„Erfolges“. In Wirklichkeit war wohl mehr als das halbe Dorf
erwacht. ...
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