Donnerstag, 19. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1364

Also diejenigen DDR-Bürger, die am 20. April Geburtstag hatten, waren nicht zu beneiden: So richtig auffällig laut konnten sie nicht feiern, ohne einen diese Feier auflösenden Besuch erwarten zu müssen. Es war eben eine Diktatur mit verordnetem Antifaschismus, in der man nicht einmal an jedem Tag ordentlich feiern durfte ...


Soll ein literarisches Blog etwas zum 20.4. bringen? Besser nicht, oder?
Eigentlich macht die Kategorie "DDR" das aus einem Logik-Test erwachsene Gedicht kleiner als es ist. Aber der Vorzug einzelne Gedichte ist es nun einmal, nicht alle Zusammenhänge in ihrer objektiven Bedeutung aufzeigen zu müssen: "Vom Bauen"
Verreisen wir lieber noch einmal mit Jürgen Polinske nach Portugal: "In Porto".



Bleibt noch die nächste Folge des utopischen Romans:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (27)


... Wenn auf meiner alten Erde Menschen gute Laune gehabt hätten, hätten sie beispielsweise gesungen, und andere hätten ihnen zugehört – hier lauschten die Hüttenbewohner richtig andachtsvoll dem urtümlichen Gesang der Nischenbenutzer. Du braucht deine Geschlechtsgenossinnen übrigens nicht zu beneiden. Die Männer gingen eigentlich sehr brutal mit ihnen um. Waren sie fertig, kamen sie wieder aus der Nische hervor – meist ohne ihre Kleider wieder überzustreifen. Ein paar Spritzer aus dem Familienwaschkessel und gut.
Abends folgte dann ein Ritus, dem ich anfangs mit Schaudern zusah. Ich weiß ja nicht, wie sich das inzwischen auf der Erde weiterentwickelt hat, aber bis zu meiner Abflugzeit waren intime Berührungen von Kindern durch Erwachsene ein strenges Tabu. Und was musste ich schon am ersten Abend sehen, also noch bevor ich einen Blick auf eine der Nischenbegegnungen geworfen hatte? Männer und Frauen gingen von Liegeplatz zu Liegeplatz, um die Kinder zu streicheln. Sie streichelten sie sehr sanft und ausgiebig und besonders intensiv an ihren Geschlechtern. Die Kinder wiederum schienen darauf gewartet zu haben. Einige schienen es kaum erwarten zu können, und diese Streicheleinheiten endeten erst, wenn die Kinder sich so selig wanden, als hätten sie einen Orgasmus.
Nein, ich hatte das Gefühl, wegsehen zu müssen, und konnte es nicht. Ich wollte losrennen und diesen Kinderschändern zurufen, das macht man nicht. Aber dann ... Einmal davon abgesehen, dass sie mich sprachlich nicht verstanden hätten, hätten sie es auch vom Sinn her nicht. Was hieß denn Schänder? Das hätte ja bedeutet, es wären Kinder in Schande zurückgeblieben. Schande aber kannten sie nicht. Sie schliefen offensichtlich schnell zufrieden ein.
An diesem Abend kam ich schweißgebadet wieder zu mir. Was trieb mich nur an? Einen Teil meiner Empfindungen kannst du dir leicht vorstellen. Das letzte Mal, als ich eine Frau als Frau berührt hatte, lag länger als zwei Jahre zurück. Aber so vermisst wie in diesem Augenblick hatte ich das bisher nicht ein einziges Mal.

Wie geht man mit etwas um, das einen … Ja, was eigentlich? ... anwiderte? Hätte ich das jetzt sagen müssen? Für die Welt, aus der ich kam, galt das wohl so. Aber vom folgenden Tag an verfolgte ich das Treiben, wenn ich es denn verfolgte, mit anderen Augen. Wie ging es diesen Kindern?
Ich begann zu wichten. Bei aller Vorsicht, die hier geboten war, diese offenbar nicht als Erotik verstandene Intimität genossen alle Kinder, bis sie erwachsen waren. Entschuldige. Ich korrigiere: Sie betrafen die Saks nicht, die ein eigenes Intimleben hatten. .
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