Sonntag, 29. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1374

Als die letzten "Gedichte des Tages" im April 2012 sind folgende vorgesehen:


Dies ist kein "politisches" Lyrikblog im engen Sinn. Hier werden zum Beispiel auch Liebesgedichte (oder eben Anti-Liebes-Gedichte) entwickelt - Slov ant Gali: "... und tschüss!"
Aber was gesagt werden muss, das wird eben gesagt. Thomas Reichmischt sich ein - und er hat eine adäquate Form gefunden: "Die patente Natur". Der Gruß "Heil ...!" hat eine passende Geschichte ...


Ganz klar steht die nächste Folge des Fortsetzungsromans fest:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (37)


... Leider überschlugen sich dann die Ereignisse, und ich wurde zu schnellem Reagieren gezwungen.
Alles fing scheinbar harmlos an. Die Gewalt der Fürstenburg hatte sich während der ganzen Zeit nicht sehen lassen. Wenn ich es nicht aus der Erdgeschichte besser gewusst hätte, hätte ich annehmen können, dass die Dörfler wahrscheinlich auf oder bei der Burg völlig freiwillig ihre Frondienste erbrachten.
Wer eben dran war, zog los, ließ die heimischen Feldstücke in der Obhut seiner „Sippe“ und kam nach vollbrachtem Dienst wieder zurück, ohne Aufsehen davon zu machen. Es gab offenbar auch so etwas wie eine Religion, ein höheres Wesen, an das diese „Menschen“ glaubten, und das alles genau so wollte, wie es war. Auch eine Ernte-Bitt-Prozession hatte ich schon beobachtet. Was ich aber bisher noch nicht gesehen hatte, waren Fremde in der Siedlung.
Die waren offenbar auch wirklich eine Seltenheit, denn als sich ein Gefährt den Hütten näherte, das von einem kuhartigen Tier gezogen wurde, strömten sofort alle Kinder herbei, aber die Erwachsenen zügelten ihre eigene Begierde nach Neuigkeiten und Abwechslung kaum weniger.
An diesem Tag verließ ich den Gleiter nicht. Ich verkniff mir, persönlich die Bauarbeiten zu überwachen. Der Film war einfach zu reizvoll. Ich hätte mir gut vorstellen können, dass in der Mittelalter genannten Erdzeit alles so abgelaufen sein könnte, wenn ein Spielmann auf einem der Dorffeste aufgetaucht war. Vielleicht mit dem Unterschied, dass hier offenbar das Fest ganz spontan begann, weil eben diese Spielfrau das Dorf erreicht hatte. Es gab wirklich derart viele Ähnlichkeiten! Die Frau klimperte und kurbelte an einem Kasten, den ich Leierkasten-Orgel nannte, und dazu sang sie Geschichten, die einen festen Rhythmus hatten. Der half ihr offenbar, sich die langen Texte einzuprägen. Die sie umringenden Dörfler lachten laut, riefen ihr vieles zu, was der Translator nur teilweise verarbeiten konnte, und in einer Liedpause tauchte plötzlich ein Topf mit Brei auf und alle begannen zu löffeln.
Das Haar der Frau war lang und verfilzt. Ihr Kleid wich deutlich von denen aller bisher beobachteten „Menschen“ ab. Nicht im Schnitt, aber das Kleidungsstück strotzte nur so von bunten Flicken und aufgenähtem Schmuckzeug, Federn, Zweige, Blüten. Wirr und irgendwie lustig. Die Frau schien überdurchschnittlich alt zu sein. Ihr Gesicht war so sehr von Runzeln beherrscht, dass die vielen verheilten Wunden kaum noch auffielen.
Genau diese Wunden aber beschäftigten mein Interesse. Sie verliefen nicht wie normale Narben in breiter Strichform. Nein, sie sahen aus, als hätte ein Kalmar seine Saugnäpfe an der Gesichtshaut angesetzt, um so den restlichen Körper in seinen Verdauungstrakt zu ziehen. Nicht total gleich groß, aber immer entweder rund oder oval. Mir kam die Idee, dass irgendwann in der menschlichen Entwicklung die Vorgänger heutiger Ärzte Blutegel angesetzt hatten, um das angeblich kranke Blut abzusaugen. Aber die hatten das doch bestimmt nicht im Gesicht gemacht, oder? Was war das nur?
Die Dörfler störte die ungewöhnliche Mischung aus Alter, Hässlichkeit, Gutmütigkeit und zur Schau gestellter guter Laune überhaupt nicht. Sie schien nur die Abwechslung zu interessieren. ...
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