Dienstag, 6. November 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1567


Bei manchen Gedichten weiß man nicht so genau, was es für welche sind. "Versuchung" wird aber nicht als Herbst sondern als Liebesgedicht schlüssig ...

Ich weiß nicht, wie das manche machen, die wie auf Befehl "Gedichte" fabrizieren". Ich schau nach draußen, ärgere mich über den Sieg des Herbstes und freue mich, dass ich früher einmal ganz hübsche Reime zur Jahreszeit gefunden hatte, "Vergeblicher Sturm" zum Beispiel ...

Herbst in der Lyrik und Ahnungslosigkeit in der Prosa - selbst wenn das Romanmanuskript zur Science Fiction gehört, hat es doch einen allzu realen Kern: Wie oft handeln wir, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht?


Slov ant Gali: Stochern im Nebel (29)


... Die folgenden zwei Tage veränderten den Wissenstand über das Wesen der Sikroben nicht wesentlich, eher überhaupt nicht. Die Ätzer, wie sie in den Medien teilweise weiter genannt wurden, breiteten sich einfach ungehemmt aus – was gingen sie die aufgescheuchten Redaktionen an, die endlich etwas Stichhaltiges berichten sollten. Nein, sie konnten: Der Block in der Hellersdorfer Straße erlebte seine letzte Phase. Nachdem der zähe graue Brei ausgehärtet war, hatten die Sikroben der Natur eine glatte und harte Kappe von mehr als zwei Metern Dicke übergezogen. All die verschiedenen Stoffe, aus denen die Häuser zuvor bestanden hatten, existierten nun nur noch als Siliziumverbindungen. Die sich ständig weiter vermehrenden Tropfen mussten also die Elementarstruktur der Ausgangsverbindungen verändert haben, erklärten die Experten, die das nicht erklären konnten. Zumindest der Name des Vorgangs, also Silizieren, erwies sich insofern als zutreffend.
Allein die Frage, ob es überhaupt vorstellbar sei, dass bei normaler Außentemperatur Kernumwandlungen abliefen, füllte viele Talkshows. Nur eines bezweifelten inzwischen die wenigsten: Man würde fast die gesamte Bevölkerung Berlins evakuieren müssen. Natürlich nur rein vorsorglich und damit in Ruhe die notwendigen Gegenmaßnahmen ergriffen werden konnten.
Evakuierungen hatte es seit Generationen nicht mehr gegeben. Und jetzt gleich ganze Wohngebiete! Die meisten Menschen wollten natürlich in Berlin bleiben. Sie rechneten fest mit einer schnellen Lösung des Problems.
Diese Hoffnung verging ihnen innerhalb der nächsten drei Tage. Zwar umfasste der Katastrophenherd noch immer nur das eine Wohngebiet, aber er breitete sich stündlich schneller aus. Notfallsitzungen wurden einberufen. Nicht nur der Berliner Senat berief eine Kommission, die über Spekulationen den möglichen Fortgang der Katastrophe betreffend und Statements nach dem Motto „wir müssten etwas tun“ bzw. „wir müssen zeigen, dass wir der Lage gewachsen sind“ allerdings nicht hinaus kam. Für ganz Mitteleuropa wurden eine Parlamentskommission und ein Operativstab zur Sikrobenbekämpfung ins Leben gerufen. Notfallpläne wurden erarbeitet. Zumindest einige Bürger beruhigte das.
In Berlin betrieb man praktische Geometrie: Für einen Umkreis von zehn Kilometern um den Ausgangsherd wurde die Evakuierung der Bevölkerung vorbereitet, als erster Schritt ein Innenkreis von vier Kilometern Durchmesser durch die Einsatzkräfte geräumt und an dessen Grenze ein hundert Meter breiter Grenzstreifen eingeebnet, Platz geschaffen für die normalste Lösung aller offenen Fragen: die Armee. ...




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Follower