Samstag, 17. November 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1578


Aufmerksame Mitleser werden sich erinnern, dass Gunda Jaron an diesem Ort ihr lyrisches Brachliegen (unter Fachkreisen vielleicht Schreibblockade genannt, unter Hobby-Psychologen "lyrischer Burnout") beklagte. Dass das nicht so absolut zutrifft, beweist sie mit "Wilder Mohn" ... keine Pflanzenkunde und auch keine Hymne für Cannabis-Fans, sondern ein Liebesgedicht ...
Mit meinem schmunzelnden "Rätsel", "Welcher war der Deutsche?" kann ich da natürlich nicht mithalten ...



Einmal wieder ein schönes Liebesgedicht ... Aber bei dem Fortsetzungsroman habe ich natürlich zu viel versprochen: Bevor die entscheidende Handlung um Marie beginnt, wird nach einer weiteren Kugelbesitzerin gefragt:
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Slov ant Gali: Stochern im Nebel (39)
...

Ein Umzug zu viel

Lisa hatte inzwischen viele Arbeitsstellen hinter sich. Hätte ihr zwischendurch jemand erzählt, sie würde ausgerechnet in der Deutschen Arbeitsvermittlungsagentur enden, hätte sie eine überhöhte Körpertemperatur vermutet. Nicht sehr wahrscheinlich eine solche Aussicht. Inzwischen begeisterte sie diese Aufgabe. In einem komplexen internationalen Vermittlungsprojekt waren die Mitarbeiter der Agentur gefordert. Sie suchten für die unterschiedlichen Anforderungsprofile die richtigen Bewerber. Lisa war ein Sprachtalent. Natürlich wurde von jedem Bewerber erwartet, dass er deutsch sprach, wenn er in Deutschland Arbeit suchte. Ging es aber darum, frühzeitig Talente zu vermitteln, dann war es von Vorteil, wenn der Vermittler die Sprache der zu Vermittelnden beherrschte. Ohne zu überlegen, wofür sie das später einmal verwenden könnte, hatte Lisa angefangen, Kontakte zu Familien auf dem ganzen Erdball zu knüpfen. Es machte ihr einfach Spaß, viele Leute zu kennen.
Zu Lisas Leben gehörten ständige Umzüge. Sie wurde überall gebraucht und konnte nie nein sagen. Bis vor einem Jahr hatte sie dabei immer Rahmans Kugel mitgeschleppt. Hatte sie betrachtet, an den Jungen gedacht, dessen Bild immer mehr verblasste … Beim letzten Umzug aber nahm sie die Hilfe einer Umzugsfirma in Anspruch. Die hatte ihr Pappkartons ausgeliehen. Wie hätte sie darin eine etwa zwanzig Kilo schwere Kugel unterbringen oder anderswo unbemerkt verstecken sollen? Lisa konnte sie nicht schleppen, ehrlicher: sie wollte es nicht mehr, und sie hatte einen Anlass gesucht, sich von dieser Erinnerung zu befreien. Im Innenhof unter dem Fenster ihrer Wohnung in Friedrichshain versteckte sie die Kugel zwischen Sträuchern. Das passte ihrer Meinung nach zu der Erinnerung. Lisa sah sich noch einmal gründlich um. Sollte sie wirklich noch einmal einer der ehemaligen Schwurschwestern und –brüder zu einem Treffen einladen, dann holte sie die Kugel eben hier ab. So weit war die Cecilien- ja auch nicht von der Holteistraße entfernt. „Sollten die sechs mich wieder treffen wollen, dann finde ich das Ding bestimmt wieder.“
Hatte sie gedacht. Natürlich die Sikrobenflut nicht vorhergesehen. Überstürzt flüchtete Lisa aus Berlin. Durch die vielen Umzüge geschult suchte sie ihr Kleingepäck gründlicher aus als die meisten zu den Trecks drängenden Mitbewohner. An die Kugel dachte sie keinen Moment. ...


  

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