Thomas Reich segelt immer haarscharf an der Klippe der lyrischen Bildhaftigkeit entlang. Da passiert es gelegentlich, dass er zu sehr mit dem Hammer zuschlägt, meinetwegen mit "Hammer und Nagel", wo vielleicht ein zart gedrehter Schraubenzieher wirkungsvoller gewesen wäre.
Insoweit warne ich: Man sollte in meinem "Im neuen Babylon" nicht nach einem Holzhammer suchen - ich wollte eher mit Gedanken spielen ...
Thomas Reich als Gast bei den "Gedichten des Tages" - kein Grund zur Beunruhigung ... das ist bei einer Schülerin Marie Kutasi als "nicht zum Unterricht erschienen" schon etwas Anderes ...
Slov ant Gali: Stochern im Nebel (37)
... Am nächsten Morgen hatte Sonja Zarge
in der 10 b Deutsch. Unsere beiden Plätze waren frei. „… Weiß
einer von euch, wo sie stecken?“ Niemand wollte etwas gehört
haben. Eines war der Zarge ja klar: Vor den Tropfen abhauen und mich
nicht abmelden, das passte nicht zu mir...
Am Nachmittag stopfte sie ihren
Wochenendeinkauf ins E-Car. Was hatte ich auf der Rückfahrt gesagt?
„…dann kommt es auf ein paar Tage früher oder später auch nicht
an. Dann sterben wir sowieso bald.“ Immer wieder ratterten die
Sätze durch ihr Gehirn. Hanna und Nanette waren längst
eingeschlafen, da griff sie zum Videofon.
Ausgerechnet mein Vater, auf den ich
schon seit Jahren nicht mehr hörte, wollte eine Strafpredigt halten,
kaum, dass sich die Zarge vorgestellt hatte. „Was haben Sie nur
angestellt? Nennen Sie das aufpassen? Müssen Sie das nicht als
Lehrerin? Wenn Marie was passiert, … Ich mach Sie fertig!
Sorgfaltspflicht – haben Sie schon mal was davon gehört? …“
Sonja kam kaum zu Wort. Nachher ärgerte
sie sich besonders, dass sie sich auch noch zu rechtfertigen versucht
hatte. Sie habe uns schließlich in unseren Wohnungen verschwinden
sehen. Was hätte sie denn noch machen sollen? Ein Kindermädchen
anstellen? Doch eines wusste sie nun sicher: Wir waren nicht zu
Hause.
Sonja grübelte, ob sie alles
unternommen hatte, um unseren Ausflug zu den Tropfen zu verhindern.
Jens´ Mail fiel ihr wieder ein. Hatte der nicht geschrieben, er sei
bei der Polizei in Berlin? Er wohnte nicht einmal weit entfernt. Sie
rief ihn an. Er war sofort am Videophon und freute sich.
… „Entschuldige, Jens, aber ich
rufe nicht einfach so an. Ich hab Mist gebaut. Zwei von meinen
Schülern, Mädchen aus der Zehnten, wollten unbedingt die
geheimnisvollen Tropfen mit eigenen Augen sehen, und ich hab es nicht
verhindert. Jetzt sind sie unterwegs, ich weiß nicht, wie und wo.
Eben von Eberswalde nach Berlin.“
„Na, vielleicht machst du dir zu viel
Sorgen. Überall sind Sperren. Auf allen Straßen. Die Züge werden
auch kontrolliert … Da kommt keine Maus durch. Bestimmt haben sie
sie längst zurückgeschickt. So ein idiotischer Einfall aber auch.
Das ist kein Massenevent. Begreifen die das nicht?“ Jens’ Stimme
verriet, dass er der Angelegenheit keine größere Bedeutung zumaß.
„Da kennst du Marie Kutasi aber
nicht. Was die sich in den Kopf setzt, das zieht sie auch durch.
Bitte, ich möchte nicht schuld sein, wenn den beiden was passiert!“ ...
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