Diesmal geht es relativ unpoetisch zu. Verantwortlich dafür ist zum einenThomas Reich, der seinem "älter werdenden" lyrischen Ich eine "Drecklese" verordnet.
Mir ist hingegen etwas für mich Seltenes passiert. Die Zeitungsablage zeigte mir zwei Titelseiten der "junge Welt" übereinander. An zwei Tagen nacheinander wurde über einen Brand in einem Bangladesher Textilwerk berichtet. Wieder einmal ein Hinweis darauf, warum ein Teil unserer Bekleidung so billig verkauft werden kann. Da konnte ich mich nicht zurückhalten und ein Gedicht drauf machen: "es brannte in bangladesh" ...
Ja, für über 100 Arbeiterinnen und Arbeiter bedeutete im konkreten Fall "Ausbeutung" praktisch den Tod.
Marie und Julia sind dagegen mit dem Leben davon gekommen. Deshalb wollte ich EIGENTLICH an dieser Stelle die Veröffentlichung des Romananfangs abbrechen ...
Slov ant Gali: Stochern im Nebel (50)
... Muss ich zugeben, wie fertig ich selber
war? „Wieso hätte sie auch?“, antwortete ich. „Das ist alles
so absurd, das sollten wir besser mit ins Grab nehmen. Im Moment hab
ich gestrichen die Schnauze voll davon, die Welt zu retten. Scheiß
Kantha Inar! Ein Haufen Verrückter stellt deine Diagnose aus:
verrückt ...“ Ich hockte mich hin, legte Jule die Arme auf die
Schultern, wartete schweigend, worauf auch immer. Sprach nach einer
Weile weiter. „Ich hab alle Dateien aus dem Internet runtergeladen.
Gelesen. Die Stelle, die mich vor kurzem noch so gefesselt hat, weil
sie mir so prophetisch vorgekommen ist ... Weißt du, davor und
dahinter klingt alles ganz anders. Echt versponnen. Total
ernüchternd. Ich hab wohl genau jene Sätze herausgefischt, die zu
diesen Ätzern passten. Und die andern vergessen.“
Wir schwiegen zusammen.
Dem Meister strömten die Jünger zu
Tausenden zu. Sie verschwendeten das letzte Papier für
Weltuntergangspamphlete und erklärten den Silitbrei zu einer
ehrlicheren Welt, die unsere dem Untergang geweihte zu Recht ablöse.
Ein Glück, dass ich offenbar noch
nicht ganz so abgedreht war. Trotzdem. Bei uns beiden war doch
tatsächlich etwas Unerklärliches passiert … wenn auch nicht das,
was dieser Prophet vorhergesagt hatte. „Ich begreif einfach nicht,
wozu das Ganze gut sein sollte. Die Welt ist einfach nicht gerecht!
Warum mussten ausgerechnet zwei wie wir das entdecken? Was man uns
nicht glaubt. Logisch. Wir haben´s zwar erlebt, aber als mein
eigener Vater hätt ich mich ausgelacht! Ich verfolg die Berichte und
Karten, wie der Ätzerherd größer wird, und niemand weiß einen Weg
dagegen – und wir wissen ihn und sagen ihn nicht, um nicht in die
Klapse zu kommen! Krasser geht´s nicht. Und ich stell mir vor, was
in den letzten Tagen schon für Storys ersponnen wurden und lehne
unsere wahre ab. Ob wohl ordentliche Forschung ohne unsern
Esoterik-Scheiß die Gefahr besiegen wird? Da möcht ich dabei sein.
Stattdessen ärger ich mich wieder mit Chemie- oder Biolehrern rum.“
„Komm, reden wir nicht mehr davon!
Das ist abgegessen.“
„Na gut.“ Ich lächelte wieder. „Du
sollst auch mal das letzte Wort haben.“Womit ich es dann aber
gehabt hatte. ...
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