Sonntag, 3. Juni 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1410

Sagte jemand, es gäbe nichts Neues bei den "Gedichten des Tages", so irrte er (zumindest) diesmal. Gunda Jaron meldet sich nach ein paar Erholungstagen zurück:


Kein Tag der Nur-Ideen.
Gunda Jaron pickt so ziemlich alle Vögeligkeiten auf, die man Menschen zuschreibt (oder so ähnlich) und macht daraus  "Das Lied der Spottdrossel" ... alelr Wahrscheinlichkeit nur des Vergnügens wegen - man darf auch über die Unzahl an gängigen Bildern erstaunt sein ... 
Bei "Windflüchter" hatte ich das Gefühl, ich könnte den Text nicht ohne wesentliche Verluste auf ein einzelnes Gedicht, also das, was man landläufig darunter verstände, zusammendampfen. Das heißt ja nicht, dass die Wörter bereits genau genug ausgewählt wären ...



Nun ist also Lyrik und Prosa ein Paarwerk derselben Autoren.


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (73)



... Wie sehnte ich mich nach Ruhe! So viel hätte ich gründlich durchdenken müssen … und danach entscheiden. Natürlich auch und sicher zuerst, was und wie die Kinder lernen sollten – also die vielen Kinder, die einmal hier zur Schule gehen sollten. Aber das hing ja von der Antwort auf eine andere Frage ab: Was sollten sie einmal als Erwachsene tun? Wenigstens hatte ich mich innerlich entschieden, dass sie überhaupt etwas tun mussten, dass sie deshalb also nicht wissen sollten, dass es Replikatoren gab, die ihnen alle materiellen Bedürfnisse befriedigt hätten. Wahrscheinlich hätten dann die Frauen im Harem Schlange gestanden, sexuell befriedigt zu werden, indem sie einen Mann befriedigten oder umgekehrt. Und in der Restzeit sinnarm gewartet. Arbeit musste es also geben … und sei es nur, weil ich nicht voraussagen konnte, wie lange es noch funktionsfähige Replikatoren gäbe. Spätestens dann würde es ohne gehen müssen. Und so ganz von einem Tag auf den nächsten musste die Umstellung ja nicht kommen.
Nein, das war nicht wünschenswert. Ich hatte einmal ein perverses Machwerk gelesen, in dem sich ein frühzeitlicher Mensch die am höchsten entwickelten Intelligenzwesen vorstellt. Die lässt er sich in eine Blase hineinversetzen, in der ihnen ewige, ununterbrochene Orgasmen injiziert werden. Das schien ihm die höchste Vollendung aller Entwicklung. Ich hielt das für Früchte, die verfault waren, bevor sie reifen konnten, weil sie eben nicht mehr reifen konnten.
Meinen Mädchen konnte ich die Welt aller Künste öffnen, sie mit dem Schönen in jeder Gestalt vertraut machen. Aber würde das allen reichen?
Wie ich so für mich nachdachte, kam mir der rettende Einfall. Im Prinzip war mein Planet eine zweite Erde. Natürlich hatte er eine andere Geschichte hinter sich. Vielleicht gehörten dazu nicht die Meteoriten, die auf der Erde eingeschlagen waren … oder es hatte hier Einflüsse gegeben, die auf der Erde gefehlt hatten. Auf jeden Fall waren die Abweichungen in der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre, wenn man die Dauerschäden aus der industriellen Explosion auf der Erde ausklammerte, die klimatischen Verhältnisse – unter derselben Bedingung – Gravitation, Rotation, Strahlung und so weiter so gering, dass eigentlich alles das, was sich auf der Erde an Menschenfreundlichem entfaltet hatte, sich hier auch für die Saks und mich entfalten konnte. Ich würde die Lebensverhältnisse der Erde sozusagen nachträglich optimieren und Pflanzen und Tiere, deren Bedingungen in den Speichern aufgezeichnet waren, hier kultivieren. Die, die es zur Zeit meines Abfluges gegeben hatte, und sogar die, die auf der Erde ausgestorben waren und deren Wiederbelebung sich nicht gelohnt hatte. Natürlich würden Relikte der einheimischen Flora und Fauna erhalten bleiben und sich eingliedern. Aber die Erfahrungen der Erde bewiesen, dass neu eingeführte Lebewesen den angestammten überlegen waren, weil sich ihre natürlichen Feinde noch nicht entwickelt hatten, es also noch kein Gleichgewicht gab. Ich musste nur herausfinden, welche Pflanzen besonders geeignet waren, ob Kartoffeln, Reis, Mais, Bananen, Rüben, Zuckerrohr …
Probleme sah ich dabei auf Anhieb nur bei den Bananen, für die es wahrscheinlich nicht warm genug war, und beim Reis wegen der notwendigen Feuchtigkeit.
Die Kunst der Landwirtschaft war den Einheimischen nicht fremd. Wenn sie neu dazulernten, wie abwechslungsreich man sich ernähren konnte und sollte, würde das einen gewaltigen Entwicklungssprung bedeuten. Noch mehr Abwechslung brächten die verschiedenen Zubereitungsarten der Gerichte und die Arten der Haltbarmachung, die bestimmt auch für die hiesigen Bedingungen anwendbar waren.
Lujann, ich weiß, dass ich schon mit diesem Gedankengang unsere Raumfahrer-Direktive für den Erstkontakt verletzt hatte. Ich wusste ja, wie wichtig es war, die kleinsten Eingriffe ins natürliche Ökosystem vorzubereiten, weil jede Haupt- immer auch eine Nebenwirkung hat. Aber versteh doch: Ich war wie berauscht von einer gewaltigen Aufgabe, die meiner unbegrenzten Lebenserwartung entsprach. ...

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