Dienstag, 26. Juni 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1434

Anonymus ist da ... in den "Gedichten des Tages":


Eigentlich war ein Gedicht zu dieser Symbolfigur längst fällig. Sebastian Deya hat seinen Weg gefunden, "Anonymus der Große" zu gestalten. Uns macht er zumindest ein Denkrichtungsangebot ...
Fahren wir fort mit den Coverideen für das Buch "Nach der Geldzeit": "Cover 2".


Da ist der utopische Romanentwurf natürlich nicht weit:

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (97)


...  Was willst du von mir hören? Dass ich bekenne zu bereuen?
Ich sage dir, es richtet sich leicht über Menschen in einer Lage, in der man nicht war. Ich sage dir, es gibt welche, da solltest du dem Schicksal danken, wenn du nicht hineingerätst. Diese Frage hatte mich auf der Erde viel beschäftigt. Theoretisch, verstehst du? Da hatte ich aber immer an unangenehme Lagen gedacht, die es zu meiner Zeit längst nicht mehr gab. Zum Beispiel im Krieg einen Befehl zum Töten zu bekommen und bei Verweigerung den eigenen Tod zu riskieren. Oder nur ein Egoist sein müssen, weil rund um dich herum ein ewiger Konkurrenzkampf tobt, bei dem du untergehst, wenn du deinen Ellenbogen nicht besser einsetzen kannst als die anderen Tier-Menschen um dich herum. Und nun musste ich feststellen, dass es auch positiv erscheinende Situationen gab, in die man besser nicht gerät. In einer solchen Situation fand ich mich gerade wieder. Und mein zweifelhaftes Glück bestand darin, dass es keine Norm gab, an die ich mich zu halten hatte, richtiger: dass ich fast völlig nach eigenem Gutdünken meine Normen an die Stelle der überkommenen setzen konnte, wenn ich den Sinn dieser überkommenen Normen nur gut genug verstand. Vielleicht war es noch nicht einmal das. Vielleicht war es das Gefühl, aus dieser Lage selbst verschuldet schon wieder herauszufallen. Also bevor ich dieses ungewöhnliche Gefühl auskosten konnte, dessen Reiz ich gerade gekostet hatte. Ich hatte diesen Mädchen allmählich ein Selbstbewusstsein formen wollen, sie von hinterwäldlerischen Saks-Kindern zu menschenartig bewusst schöpfenden Wesen befördern. Natürlich mit mir selbst als gottartigem Überwesen. Und nun deutete sich ihr Selbstbewusstsein viel zu früh an – und auf einem animalischen Siegrausch fußend. Wie hatte ich nur riskieren können, dass sich diese Mädchen, die gerade an der Schwelle zur Frau standen, als mächtige Krieger und Beherrscher einer Welt fremder Technik fühlten? Welche Rolle blieb mir da? Vor allem: Sollte ich die Folgen dieses Schrittes meine Ewigkeit lang ausbaden? Ich spürte die Lüge in mir. Ich hätte so gern diesen Augenblick in die Länge gezogen, in dem ich eine für Menschen unbekannte Rolle spielen durfte. Keinem Menschen wurde das Recht zugestanden, sich über andere Vernunftwesen zu erheben, sich aufzuführen als etwas Besseres. Hier aber war ich es gewesen. Mein Wort war Gesetz – genau genommen dreifach: Meine Schützlinge waren Saks, waren Frauen, waren Kinder.
Diesmal kam mir zugute, dass ich über die Wesen auf der Burg sorgsam Aufzeichnungen führte. Ich habe ja schon erwähnt, dass alles, was mit Medizin zusammenhing, mein heimliches Sorgenkind war, weil mir über die Saks eben keine fast unendlich überlegenen Kenntnisspeicher zur Verfügung standen. Ich konnte nur auf einen Umweg hoffen. ...



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