Freitag, 12. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1709

Wie gewohnt kommt zuerst eine Fortsetzung zu der Prosaerzählung ...



Vorm Haus, das es nicht gab (3)


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... Als ich es sah, fiel mir sofort der Traum ein. Richtiger: Mir fiel sofort ein, dass ich genau dieses Haus schon einmal in meinem Leben gesehen hatte. Offensichtlich hatten es fremde Leute in der Zeit meiner Abwesenheit dort errichtet. Obwohl die Sonne schien, war mir unheimlich zumute. Krampfhaft versuchte ich wegzusehen, also zu den Grundstücken auf meiner Straßenseite. Da stürmte der Musikerjunge aus der Tür in den Vorgarten. Er freute sich, mich wiederzusehen, ich auch. Ich mochte das schmächtige Kerlchen eigentlich sehr, er tat mir genauso leid, dass er mit seinen knapp fünf Jahren hatte so oft Klavierspielen üben müssen, so wie ich ihn bewunderte, dass er das konnte, so wie es angenehm und gruselig in der kleinen, imme sehr dunklen Wohnung dort gewesen war. Für ich weiß nicht wie viele Sekunden beachtete ich die Straße nicht. Als der Junge das Vorgartentürchen erreicht hatte, war es zu spät: Da standen sie. Klaus und Volkmar. Lebendig und, weil gewachsen, Bedrohlichkeit ausströmend. Aber sie begannen ein Gespräch, ein nettes Gespräch, ein Gespräch wie als wollten sie die zurückliegenden Monate unausgefüllter Freundschaft überbrücken. Sie schienen völlig vergessen zu haben, dass ich doch immer zum Verprügeln dagewesen war. Ja, und dann kam der Augenblick, da klickte etwas von dem neuen Haus her. Ein kleines Mädchen trat heraus, kam auf uns zu … mit solcher Entrücktheit habe ich – glücklicherweise – nie wieder ein Mädchen angestarrt. Undeutlich hörte ich, dass mir die anderen Jungen erklärten, wer das sei und seit wann ihre Familie da wohne und was weiß ich noch alles. Überhaupt kann ich mich an das Folgende nicht erinnern. Nur dass ich nicht verprügelt worden bin, das weiß ich. Ein fantasiereicher Junge von neun Jahren hatte ein Problem: Er hatte einen Menschen an einem verfremdeten Ort wiedererkannt, den er noch nie in der Wirklichkeit gesehen hatte und von dem er nichts ahnen hatte können.
Ich wollte so gern mit jemandem darüber sprechen. Aber ich traute mich nicht. Man würde es mir ausreden. Ich hätte mir das wohl eingebildet oder so. Ja, ich sah auch voraus, was mir eine meiner Mentorinnen zu erklären versuchte, als ich meine ersten Gedichte und Geschichten zu schreiben versuchte. Ein besseres Beispiel für Unterbewusstsein, Wunsch und Traum wie das könne es kaum geben. Ich hatte – und das stimmte ja – als Siedlungskind keinen drängenderen Wunsch als in Frieden und Freundschaft mit den Gleichaltrigen zu leben. Mein Traum hatte mir diesen Wunsch als Wirklichkeit vorgegaukelt. Als ob ich diese Möglichkeit nicht bedacht hätte! Aber das Haus und das Mädchen? Na, wiedererkannt hätte ich die zwar nicht, aber … Natürlich hatte ich sie wiedererkannt. Oh, es war besser, nicht darüber zu sprechen. Ob ich an Gott glaube? Nein, aber damals rang ich mit dem Gedanken, es könne ein Wesen geben, dass alle meine Taten, vor allem die Schandtaten, sähe und über mich richte. Siehst du, und du, also ich, bist auserlesen gewesen, ein Zeichen zu erhalten. Und da stand ich marxistisch gebildeter Student meinem Mädchen gegenüber und erstickte unsere Beziehung in einem Ozean von Gelächter. Am liebsten hätte ich ihr eine Erklärung angeboten: Spiegelbilder dessen, was auf unserer Welt zu sehen ist, bewegen sich für Momente in der Luft. Mit einer unwahrscheinlich geringen, aber vorhandenen Wahrscheinlichkeit geraten sie in die Dimension, die wir Zeit nennen, und spiegeln dort zurück. ...




... und dann folgen die "Gedichte des Tages" vom Sonnabend:


Ein vergnügliches Wochenende für alle Gläu- und Ungläubigen. Alle, die nichts Böses erwarten seien gewarnt: Bei dem Gedicht "Jesus, meine Höflichkeit" von Hanna Fleiss konnte ich hemmungslos auflachen ... So etwas, wenn man - und das ist EINE Form der Dichtung etwas "beim Wort nimmt" ...
So, durchatmen und ... Brunhild Hauschild nimmt das Thema Selbstreflexion noch einmal auf: "Inventur meines Lebens ( zum Rentenbeginn)". Was ich dazu zu sagen hätte? Jeder Mensch ist eine Galaxie im endlosen Kosmos. Die Millionen Sterne, die man in ihr findet, erklären, anders angeordnet auch die anderen Galaxien - aber auch erst in unendlicher Reisezeit hätte man eine einzige Galaxie erkundet ... oder auch nicht, denn die Orte, an denen man war, sind ja inzwischen andere ...


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