Sonntag, 29. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1866

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Fillip, der Erdling (15)


Was dachten sich diese Verrückten da? Also zumindest ansehen sollte er sich diese Demokratie-Glücks-net-Seite. Und diesmal funktionierte auch der Link.
Mehrere Abschnitte las er mehrmals, immer voll Zweifel, ob er sie richtig verstanden hatte. Er hatte den Ton abgestellt, schloss die Augen. Was schrieben die da? Jeder entscheidungsfähige Weltbürger bekäme eine nachprüfbare Identität im Weltnetz. Na gut, das war logischerweise etwas Anderes als die Gegenwart, in der er sich hinter mehreren gefaketen Aliassen verbarg. Mit eben dieser einen Identität bekäme er Zugang zu einer Art virtuellem Konferenzraum, in dem alle aktuellen Weltentscheidungsfragen beraten und entschieden würden. Er könnte also am heimischen Computer sitzen wie ein Abgeordneter im Parlament, mit dem Unterschied, dass er drei Tage pro Lesung Zeit hatte, um von einer Entscheidungsvorlage Kenntnis zu nehmen und seine Kommentare und seine Entscheidungsstimme abzugeben. Offenbar sollte das prinzipiell unbeschränkt zutreffen. Wenn er also mit darüber befinden wollte, ob ein französischer Fusionsreaktor abgerissen werden sollte, dann stände ihm das zu. Also mit zu stimmen und solche Forderungen selbst zur Abstimmung einzureichen. Im verrücktesten Fall hätte er also 24 Stunden am Tag vorm Computer sitzen und Weltregierung spielen können. Aber wer machte das schon? Zeitfonds, Bereitschaft und Interessengebiete begrenzten die Mitarbeit der Bürger auf natürlichem Weg. Und es waren mehrere Lesungen vorgesehen sowie ein Vetorechtsverfahren, damit beispielsweise nicht Auswärtige gegen die unmittelbar betroffenen Anwohner entschieden.


Fillip sah die anfängliche Bedrohung nun wieder mit ganz anderen Augen. Ja. Es stimmte. Er hatte mehr Zeit, als für ihn gut war. Gebildet genug, um zu verstehen, um was es bei vielen „Angelegenheiten“ gehen konnte, glaubte er auch zu sein. Und er versuchte, kritisch mitzudenken. Ja. Eigentlich qualifizierte ihn gerade sein Versuch, Widerstand gegen die Besatzer mitzuorganisieren, besonders dafür, sich in einer solchen „Weltregierung“ zu engagieren. Wenn er nichts übersehen hatte, wollten die Fremden aber letztlich alle Menschen der Erde in dieses System einbeziehen. Ob die das wirklich so gemeint hatten?


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