Montag, 16. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1855

.Mitunter kommt es eher auf die Idee an:

Fillip, der Erdling (4)


... Es kam ganz anders. Fillip hatte erwartet, dass ihm verstörte Kinder entgegengelaufen kämen und er würde sie in die Arme schließen und ihnen im Angesicht der offensichtlichen Weltkatastrophe seinen Trost und seine Erklärungen schenken. Er hatte sogar die ersten Sätze wie vor einem großen Auftritt erwogen, verworfen, neu formuliert. Er hatte bemerkt, dass er gar nicht so genau wusste, was er am besten zu der Sache sagen sollte, doch dass Max ihn mit einem vorpubertären „Komm lass!“ zurückweisen, Hand in Hand mit seiner Schwester nach oben gehen und zehn Minuten später wiederkommen und brüllen würde, „Wir sind mal kurz bei Timmi!“, war schon eine unerwartete Enttäuschung. Hatte er etwa den Zugang zu seinen Kindern verloren? Sie waren ja sonst immer mit allen Problemen zu ihm gekommen … zumindest dachte er das.
Also Kuchen wieder eingepackt. Abendbrot in der Küche vorbereitet.
Dass gerade solche Routinehandgriffe den Gedanken Raum zum freien Treiben ließen, war diesmal kein Grund zur Beruhigung. Ganz unbeabsichtigt verfingen sich diese Gedanken nämlich an einer Frage: Was hätte er an Maxens Stelle getan. Zwar schummelte ihn die Fantasie dabei zwei Jahre älter, also mit Jule gleich, aber seine Antwort war recht klar: Er hätte seine Bande zusammengetrommelt und erste Angriffe auf Stützpunkte des Gegners ausgeheckt. Und ihm wären einige Ideen gekommen, die zumindest als Idee wenig kindlich geklungen hätten. Also zuerst hätte er wohl Verkehrswege unterbrechen wollen, irgendwas, um Züge zum Entgleisen zu bringen oder Steine von der Brücke über der Autobahn werfen oder … nein, doch vielleicht eher dorthin, wo er die bösen Fremden sehen konnte. Ja! Nach Berlin!
Natürlich wäre er dann auch jedem Gespräch mit den Eltern aus dem Weg gegangen …
Nein, er würde keine Moralpredigt halten …
Aber vielleicht gab es schon Neuigkeiten? Mal sehen, was das Fernsehen bot.
Nein. Nachdem Fillip den Fernseher wieder abgeschaltet hatte, verlief der Rest des Tages fast gar nicht dem Weltereignis angemessen. Na gut … mit kleinen Abweichungen. Max fragte, ob er „diesmal“ bei Jule im Zimmer schlafen dürfe, und die Antwort, wenn sie denn einverstanden sei, wurde etwas sehr schnell mit einem lauten „Ja!“ quittiert. Aber eigentlich war Fillip das sehr recht. Jule war schon seit vielen Jahren die Vernünftige, die alles ruhig Bedenkende, im Zweifelsfall eher Zögerliche. Wenn jemand Max praktisch von Unbedachtem abhalten konnte, dann war das Jule. Dass die beiden inzwischen eigene Zimmer hatten, lag weniger an den beiden als an den Cliquen, die sie mitbrachten und die wohl sehr gestichelt hatten.
Aber jetzt … Es hatte nichts geholfen. Fillip war eine Stunde nach dem „Gute Nacht!“ lauschen gegangen, er hatte sie intensiv flüstern gehört, aber eben so leise, dass er nichts verstand.
Gabi hatte nichts Neues mitgebracht. Sie kannte die Dauermitteilung. Gesehen habe sie keine Außerirdischen, aber auch keine Menschenansammlungen oder Bewegungen von Militär oder Ähnliches. Sie habe aber auch nicht gewagt, „irgendwo reinzugeraten“.
„... Und morgen wirst du dich benehmen wie sonst auch immer! Du machst deine Arbeit, deine Pausen und alles, als wär nichts!“
„Aber ...“
Nein, du lässt mich sonst auch nicht ausreden. Ich weiß ja, was du sagen willst. Ich muss dir aber einen Vorschlag machen: Wir, verstehst du: wir bringen die Kinder morgen zur Schule. Ich weiß, das ist ein Umweg, aber es ist das Sicherste, ich gebe sie persönlich bei ihren Lehrern ab und gebe denen gleich noch einen Tipp, dass sie nachmittags ein Extra-Auge auf die Kinder werfen. Du fährst dann über die Autobahn weiter und nimmst mich nach Berlin rein. Ich seh´ zu, was ich da alles schaffe. Und dann versuche ich dich von Arbeit abzuholen. Sieh zu, dass du vielleicht etwas früher los kannst. Überstunden zum Abbummeln hast du doch genug. Dann können wir vielleicht die Kinder überraschen und sie müssen nicht auf den Bus warten. Dann freuen sie sich … hoffentlich. Deshalb hab ich auch nichts gesagt. Nicht dass sie auf die Idee kommen, wir wollten sie nur von Dummheiten abhalten ...“ ...



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Es fehlen also noch die "Gedichte des Tages", die noch einmal der Bundestagswahl gewidmet sind:

Als Hanna Fleiss dieses Blog noch mit Gedichtbonbons versorgte, war auch "Wutbürger" dabei. Damals sagte ich mir, das sollte man zur Wahleinstimmung aufheben. Zu jenem ereignis ist mir gerade etwas eingefallen, was weniger Kundige wohl für ein Haiku halten könnten:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 109


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