Sonntag, 15. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1854

.Sicher wird es an dieser Geschichte noch viele Änderungen geben, bevor sie vielleicht wirklich in die Sammlung "Der lebende See" aufgenommen wird:

Fillip, der Erdling (3)


... „ … liegt das Schicksal aller Erdenbewohner am Herzen. Glauben Sie mir, dass es auch unter unseresgleichen einige Wesen gab, die mit evolutionärem Wohlwollen weiter die Selbstvernichtung der Menschheit verfolgen wollten. Unsere durchschnittliche Lebenserwartung liegt zur Zeit bei 450 Ihrer Jahre. Unsere Prognoserechnungen hatten alle gemeinsam, dass die Masse der wandernden Literer nicht nur das Aussterben der Menschheit miterleben würden, sondern sie im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten am darauf folgenden Terraforming beteiligt sein würden. Hier aber liegt unser Problem: Über den Grad der Irreversibilität der Zerstörung der Lebensbedingungen auf der Erde konnten keine ausreichend gesichert erscheinenden Aussagen gemacht werden. Die Szenarien, die eine ausreichende Wahrscheinlichkeit aufweisen, auf welche Weise das vorhandene Gesamtleben auf der Erde dauerhaft minimiert worden sein würde, überlagerten sich teilweise, ergänzten einander, hoben einander auf. Leben kann nur einmal sterben. Wenn eine Hafenstadt durch Atomwaffen ausgelöscht wurde, ist es müßig darüber zu diskutieren, ob sie in Folge der selbst verschuldeten Klimaveränderungen 20 oder 40 Jahre danach sowieso unter Wasser verschwunden wäre. Wenn leicht radioaktiver Staub genetische Mutationen hervorbringt, durch die eine Mutantenmenschheit nach 90 Jahren ausstirbt, soll man sich dann freuen, dass das in die Atmosphäre geschossene Silberiodid-Aerosol, das dem Klimawandel entgegenwirken soll, schon nach 37 Jahren keinen vermehrungsfähigen Menschen zum Aussterben übrig gelassen hat? Es gibt so viele logische Ketten, die sich in dieses Bild einfügen – kann man einer fühlenden Form von Intelligenz da zumuten, dass sie dabei tatenlos zusieht? Wir Literer haben abgestimmt und uns entschlossen, Ihre Verhältnisse an Ihre Möglichkeiten so anzupassen, dass es Ihre Lebensform zusammen mit der größeren Zahl anderer Arten von Leben auf dieser Erde wenigstens über mehr als die kommenden 1000 Jahre weiter geben wird. Sie werden sich verändern, wie sich alles Leben in der Zeit verändert, aber Sie werden sein. Und wir halten es sogar für wahrscheinlich, dass Ihre und unsere Spezies Intelligenz in nicht zu ferner Zukunft in Freundschaft miteinander zusammen und nebeneinander leben werden.“
Fillip sah auf die Uhr an der Wand. Bald war es 14 Uhr. Ob Jule das auch hörte und sah? Sie hatte ihm so vieles von dem, was die außerirdische Sprecherin gerade verkündet hatte, an den Kopf geworfen. So als aufbegehrende 14-jährige gegenüber dem alten Herrn, den die Zeit gelehrt hatte, dass man ja doch nichts ändern konnte. Wozu wohl lebten sie hier draußen in der Schorfheide? Hier war die Wahrscheinlichkeit eines friedlichen Überlebens ohne verschiedenartigen Smog und so am größten. Und die Leute schlugen einander nicht die Köpfe ein. Was konnte man denn noch verlangen?
„ … uns nicht als Freunde empfinden werden. Deshalb haben wir uns eine Art Lebensversicherung erlaubt. Während Sie das gerade hören, verbreitet sich in im wahrsten Sinne Windeseile auf der Erde ein Virus, der sich in den nächsten Stunden auch in Ihren Körper eingenistet haben wird. Keine Sorge, Ihnen persönlich wird er keinen Schaden bereiten. Einige Spezialisten Ihrer Forschung mussten wir unschädlich machen. Es handelt sich um all jene, die unmittelbar an der Terminator-Technologie geforscht haben. Sie wissen ja: Diese genetischen Veränderungen am Saatgut, die verhindern, dass aus Pflanzen, die Ihre Bauern zum Verfüttern anbauen dürfen, neues Saatgut gezogen werden kann, sodass sie ihr Saatgut immer neu kaufen müssen. Vergleichbar funktioniert unser T-Virus. Sie können noch Nachwuchs haben, übrigens widerstandsfähigen, aber dieser Nachwuchs wird keinen Nachwuchs mehr zeugen können. Ergo: Mit der Ihnen folgenden Generation stirbt Ihre Spezies aus, wenn Sie bis dahin nicht gelernt haben, die Probleme Ihrer Welt auf vernünftige Weise zu lösen. Wir werden Ihnen helfen, Ihnen den Weg weisen, aber umsetzen müssen Sie unsere Vorschläge schon selbst. Ihr Countdown läuft ab jetzt. ...“
Für einen Moment schien Fillips Verstand auszusetzen, zumindest seine Konzentration. Er verstand die Stimme nicht mehr. „Monster ... Was für Monster!“ Das war wohl der einzig für ihn fassbare Gedanke. Seltsamerweise kam er überhaupt nicht auf die Idee, am Wahrheitsgehalt der Mitteilung zu zweifeln. Es war noch keine Stunde her, da hatte er sich in einem Medienmachwerk, irgend so einem modernen Hörspiel zu befinden geglaubt, nun gab es für ihn keinen Zweifel: Die Erde erlebte gerade die ultimative Invasion aggressiver Außerirdischer. Wie sie wohl aussehen mochten? Würde man sie erkennen? Dass sie einem anderen Schönheitsideal entsprachen, war fast sicher. Sonst hätten sie sich ja zeigen können, anstatt sich hinter dem Bild einer Menschenschönheit zu verbergen.
Wie würde die Menschheit reagieren, wenn es denn so etwas gab? Diese Literer hatten vermieden, über ihre Stärke zu sprechen. Es mussten aber eine Menge sein, wenn sie in einem solchen Handstreich alle Kommunikationswege kapern konnten. Fillip gruselte es immer mehr. Wie sollte man sich dagegen wehren? Es erführe die eine Hand nicht, was die andere will und tut. Fillip erinnerte sich an einen Film über einen Meteoriteneinschlag, durch den angebliche Elf-Wellen die elektronischen Systeme lahmgelegt hatten. Waren sie jetzt nicht fast noch schlimmer dran? Wenn jetzt jemand eine Widerstandsoperation organisieren wollte, teilte er das sozusagen zuerst seinen Gegnern mit. Die Technik zur Überwachung von Internet und Mobiltelefonen hatten ja die menschlichen Geheimdienste entwickelt und verbessert. Im Moment war diese Kommunikation erst einmal ganz lahmgelegt. Aber wenn man wieder mailen konnte und so, dann waren DIE DA immer mit dabei …

Die Gedanken rasten, bis sie glücklicherweise auf einen viel unmittelbarer wichtigen Fakt stießen: In wenigen Minuten käme der Bus mit den Kindern aus der Schule. Was wussten die inzwischen? Was sollte er ihnen wie sagen? Zum ersten Mal seit vielen Jahren bereute Fillip, dass er so weit ab vom Schuss war. Hier draußen würde er schwerlich jemanden finden, mit dem er sich ernsthaft über echte Informationen unterhalten konnte. Hier passierte nur Stammtisch. Also war klar: Wenn Gabi morgen nach Berlin reinfahren würde, also wenn, dann sollte sie ihn mitnehmen. Er hatte noch ein paar alte Bekannte. Die wüssten bestimmt mehr. Vorerst hieß es, sich nicht verrückt machen zu lassen. Fillip horchte noch einmal auf die Ansage. Es war offenbar eine Endlosschleife vom Band, denn der Text kam ihm bekannt vor. Fillip schaltete den Computer aus und ging in die Küche. Zum Abendbrot war es noch zu früh, aber ein Stück alten Kuchens war auch nicht zu verachten  ...


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Und die nächsten "Gedichte des Tages"?

Freuen Sie sich auch schon auf die bevorstehende Wahl? Singen Sie "Vorfreude, schönste Freude ..."? Bleiben Sie ruhig: Bald haben Sie Ihre Stimme abgegeben und sollten in den nächsten Jahren nicht mehr nach ihr fragen. Nehmen Sie es also poetisch und halten Sie sich an den Ratschlag "Wählt GrüSPD!", wenn Sie sich an diesen folgenlosen Fehler gewöhnt haben, Sie wissen ja   ... 

Slov ant Gali: Senryū Nr. 108


 damit sind Sie auf der sicheren Seite, dass nicht Vernünftiges dabei herauskommt ...




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