Fillip, der Erdling (2)
... So
gegen halb eins hielt es normalerweise an der Kreuzung. Es war
einfach praktischer, sich frisch einzudecken als sich auf den weiten
Weg zum nächsten Bäcker zu machen. Gabi sah es nicht gern, wenn er
außer der Reihe ihr Auto haben wollte. Wenn er bei Günther anrief?
Der wusste bestimmt, wenn der Bäcker noch nicht durch war.
Es
knackte merkwürdig in der Leitung, dann kam deutlich Günthers
Stimme, noch bevor Fillip etwas sagen konnte: „Dassn Ding, was? Die
Aliens haben die Macht übernommen. Jetzt passiert mal was in der
Welt ...“ Fillip erkannte zwar, dass Günther noch mehr
zusammenerzählte, doch er verstand nicht, was der dicke Alte sagte.
Er hielt den Hörer weit vom Ohr weg, unsicher ob er zuhören oder
auflegen wollte. Komischer Kauz. Schien gerade durchzudrehen. Tja,
der Suff … Dann aber kam Fillip eine Art Erleuchtung. Hatte es
sowas Verrücktes nicht schon mal gegeben? Das musste irgendwann in
den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen sein. Da hatten
sie in Amerika ein Hörspiel über die Invasion von Marsmännchen
gesendet und viele Leute bekamen Panik. Ob gerade so eine Sendung
lief? Es war sowieso ein missratener Mittwoch. Da konnte er sich auch
noch einen zweiten Film genehmigen. Vor um drei war sowieso niemand
zurück. Ach, der Fernseher …
Schon
viel weniger euphorisch wollte Fillip das Internet aktivieren. Doch
nun gab es tatsächlich eine Überraschung. Kein bekanntes Startbild
sondern eine statische Aufnahme einer attraktiven jungen Frau. Dazu
ein Ton, der angenehm einschmeichelnd, aber nur schwach moduliert
klang wie von einem Computer generiert:
„ … nur
vorübergehend. Bitte entschuldigen Sie die damit verbundenen
Störungen Ihrer Kommunikation. Wir haben über die
extraterrestrischen Satelliten die Kontrolle übernommen, ebenso über
Rundfunk- und Fernsehstationen und – soweit sie uns bekannt waren –
alle militärischen Einrichtungen zur Kommunikationskontrolle. Wir
haben uns bemüht, diese Maßnahme synchronisiert an allen Orten
Ihrer Erde gleichzeitig durchzuführen. Wenn uns das in Ihrer
Wohnumgebung gelungen ist, merken Sie dies an der Verwendung Ihrer
jeweiligen Muttersprache beim Abhören dieses Intros. Bitte bringen
Sie sich und die Vertreter bisheriger Machtorgane nicht durch
unbedachte Handlungen in Gefahr. Alle Regierungen der bisherigen
Staaten der Erde sind abgesetzt. Alle Regelungen über
Kommandogewalten sind aufgehoben. Die Verwendung bisheriger
militärischer und anderer Dienstränge ist vorübergehend unter
Strafe gestellt. In Kürze werden Ihnen die Anlaufstellen genannt, an
denen Ihre bisherige Eingliederung in den Weltarbeitsprozess
überprüft und gegebenenfalls bestätigt oder aufgehoben werden
wird. Wenn Sie einer Arbeit nachgehen, so tun Sie dies vorerst weiter
in gewohnter Weise. Wenn Sie einem militärischen Beruf nachgegangen
sind, so vernichten Sie umgehend Ihre Uniformen und suchen Sie sich
eine sinnvolle Arbeit. Wenn Ihnen ein ehemals dazu Befugter Befehle
zu erteilen versucht, machen Sie sich nicht mitschuldig und setzen
Sie den Straftäter zu seinem Schutz fest. Unter 11111 können Sie
Abholer anfordern, die sich um die weitere sinnvolle Nutzung der
Arbeitskraft des Fehlgeleiteten kümmern werden. ...“
Fillip
bedauerte, dass die Ansage nicht durch Filmbilder untermalt wurde.
Die Idee fand er eigentlich gut, aber was war das für ein Film?
Mochte die Stimme noch so angenehm klingen, man konnte doch
dokumentarisch gemachtes Bildmaterial dazu erwarten. Wie hieß die
Sendung eigentlich? Er hatte doch am Montag sein Fernsehzeitung
überflogen und alles vorgemerkt, was ihm interessant erschienen war
…
Fillip
versuchte zu zappen. Allmählich wurde er unruhig. Die Anzeige auf
der Fernbedienung behauptete, er hätte inzwischen den achten Sender
aufgerufen, das Bild aber war noch immer dasselbe und die Stimme
auch. Unmerklich schien sich ihr Klang zu verändern. Fillip kam sie
inzwischen bedrohlich vor. Schweißtropfen sammelten sich auf Stirn
und Rücken. Es war zum Zittern heiß im Raum...
***
Sebastian Deya macht uns mit "tödlicher frieden (5)" auf eine Region aufmerksam, die durch die akute Kriegssituation in und um Syrien aus dem Fokus der Aufmerksamkeit auch unter Linken geraten ist.
Und damit aus dem Gedicht nicht falsche Schlüsse gezogen werden, habe ich
Slov ant Gali: Senryū Nr. 107
dazu angemerkt ...
.
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