Fillip, der Erdling (5)
... Letztlich
blieb ihm nichts übrig, als Gabi sein spitzbübische Grinsen zu
erklären – also seine Befürchtungen und dass er hoffte, mit
seinem Trick die Gefahr abgewendet zu haben, ohne mit Verboten oder
Ähnlichem gekommen zu sein, die zumindest er an Maxens Stelle mit
aller Rafinesse zu umgehen versucht hätte ...
Donnerstag,
der 24. Oktober, 10.24 Uhr. Fillip stand auf dem S-Bahnsteig
Friedrichstraße Richtung Alexanderplatz. Er lächelte, atmete tief
durch. Bisher war alles reibungslos gelaufen. Die Familie war erst
einmal an Orten abgegeben, an denen keinem etwas passieren konnte ...
in den nächsten Stunden zumindest.
Vielleicht
waren schon Panzer oder Eliteeinheiten oder was auch immer unterwegs,
der Ring um die Hauptstadt schloss sich gerade und der Sturm stand
unmittelbar bevor. Verdammte Nachrichten. Alle waren auf bestimmte
technische Übertragungswege angewiesen. Waren die gekappt, gab es
einfach keine. Meldeten diese Außerirdischen Freudenfeste in allen
Hauptstädten der Welt, dann gab es eben überall welche, wenn auch
in diesen Städten selbst niemand dabei gewesen war.
Eine
S-Bahn kam in Sicht. Fillip musterte die Passanten auf dem Bahnsteig.
Jetzt fiel das nicht auf, weil er ja in Richtung des sich nähernden
Zuges sah.
Also
wer nicht wusste, dass die meisten der Leute sich auf jeden Fall
innerlich mit dieser Sensation beschäftigten, viele gerade darüber
gesprochen hatten, vielleicht immer noch darüber sprachen, man hätte
glatt denken können, es wäre ein normaler Vormittag und man strömte
zwischen Kauf- und Schaulustigen, Dienstreisenden und Touristen und
Menschen mit den vielen unterschiedlichen Zielen und denen ohne Ziel
weiter.
So.
Einsteigen.
Hatten
die drei Jugendlichen da nicht gerade konspirativ die Köpfe
zusammengesteckt? Oder die beiden Pärchen ... Hatten die nicht einen
Blick zu viel in ihre Umgebung geschickt, ob jemand dicht genug
stand, um ihrem Gespräch zu lauschen? Wem wurde gerade bewusst, dass
er ja immer beobachtet worden war? Nun saßen wahrscheinlich DIE an
den Monitoren und stellten ihre Überlegungen an, ob da zwei Menschen
die noch nicht ganz erloschene Freude an der vergangenen Liebesnacht
austauschten oder einen Bombenanschlag vorbereiteten. Aber wer sagte
einem denn, dass DIE nicht gerade neben oder hinter einem standen?
Vielleicht konnten DIE auch menschliche Gestalt annehmen. Wusste man
´s? Man hatte ja schon so einiges gelesen …
Und
wieder aussteigen. Alexanderplatz.
Ein
Ort, an dem man zwischen 1000 Menschen auf einem Hektar Fläche das
Alleinsein feiern konnte. Fillip sah sich um. Also sollte man ihn
beobachten, so bemerkte er es jedenfalls nicht. Er zückte seinen
Zettel, auf dem genau festgehalten war, wen er in welcher Reihenfolge
besuchen wollte und wo. Sollte einer von denen gerade nicht da sein
oder in ein längeres dienstliches Gespräch verwickelt oder aus
anderen Gründen an einem kurzen Gedankenaustausch gehindert, müsste
er ihn überspringen, damit er bis zum Treffen mit Gabi die meisten
Kandidaten für diese private Meinungsumfrage erreicht hätte.
Anrufen wäre natürlich effektiver gewesen. Sich nach einer Mail
anrufen lassen, wenn die anderen zum Telefonieren frei waren, noch
besser. Aber so etwas war eben nicht drin. Irgendwie zum Kribbeln.
Als seinerzeit die Weltkriege waren, hatte es kein Internet gegeben,
um Massentreffs zu organisieren, und die paar Telefone, die es gab,
wurden damals wohl auch schon abgehört, wenn auch anders. Trotzdem
hatten sich die vielen Aktiven zu Revolutionen zusammengefunden. Ob
das neu erlernbar war? Oder waren die Leute nur noch in der Lage, bei
Facebook unter „Veranstaltungen“ einzusetzen „Sonnabend, 14.00
Uhr, Alexanderplatz“, Name der Veranstaltung: „Revolution“.
Besondere Merkmale: „Individuelle Bewaffnung mitbringen“.
Einladung an Freunde und Freunde von Freunden. Und dann würde man
eben sehen, wer am Samstag, 13.55 Uhr auf dem Alexanderplatz mit
individueller Bewaffnung stand?! ...
.***
Und wir können schon sehen, was morgen unbewaffnet in den "Gedichten des Tages" steht:
Sebastian Deya hat noch mehr kurz gefasste Gedichtgedanken zu bieten. In "haltlos" kehrt er den negativen Unterton dieses Wortes einfach um.
Das
Slov ant Gali: Senryū Nr. 111
ist natürlich nur dann verständlich, wenn man das Verhältnis zwischen Goethe und Eckermann kennt. Hier müsste reichen, dass das Genie den Anderen ... ausgenutzt hat ...
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