Slov ant Gali: Planet der Pondos (1)
Sie
hörte es brummen. Irgendwo im Hintergrund, gleichmäßig,
leise, einschläfernd. Was ging es sie an? Es war weit weg. Dabei
sollte es bleiben. Tröpfchenweise trat an die Stelle wohliger
Schläfrigkeit eine vage Furcht.
Sie
öffnete die Augen, versuchte sich umzusehen. Erkannte nichts. Sah
absolut nichts. Nichts als Finsternis. Eigentlich konnte sie sich nur
eine Erklärung vorstellen: Sie war blind.
Sie
schloss die Augen wieder. Suchte nach vernünftigen Gedanken. Was war
mit ihr los? Wo befand sie sich? Warum? Wie kam sie hierher? Träumte
sie? Fragen ohne Antwort. Die Erinnerung war fast so schwarz wie die
Umgebung. Die letzten Stunden, Tage, Monate, vielleicht Jahre –
einfach ausgelöscht.
So, mit
geschlossenen Augen, sah sie sich selbst als Kind von kaum fünf
Jahren. Das konnte lange, sehr lange zurück liegen. Angeblich
erinnerten sich Säufer zwar nicht an Ereignisse der letzten Stunden,
wohl aber an die Zeit davor. Sie erinnerte sich weder an die nahe
noch an die fernere Vergangenheit. Nicht einmal an ihren Namen. War
das nicht absurd? Immerhin war ihr schon eingefallen, dass sie einen
Namen haben musste.
Was
hatte sie erlebt in jenem gerade verschütteten Lebensabschnitt? Sie
kannte wenigstens noch die Worte ihrer Sprache, wusste, was sie
bedeuteten, wusste, dass so etwas vorkommt, dass jemand sein
Gedächtnis verliert durch Schocks oder Unfälle.
Vorsichtig
hob sie den Kopf, sah ihre Brüste als aufgerichtetes Hügelpaar. Sie
war also ein Mädchen. Warum sie sich einbildete, ein fast
erwachsenes Mädchen und keine Frau zu sein, wusste sie nicht. Aber
das war wenigstens etwas. Sie ließ den Kopf fallen. Wunderte sich.
Hatte sie nicht gerade etwas gesehen? Jetzt umgab sie totale Schwärze
wie zuvor.
Das
musste ein Traum sein, versuchte sie sich einzureden. Also sollte sie
besser weiter schlafen und später erfrischt aufwachen. Dann erwiese
sich diese Art, aus einem Traum aufzuwachen, hoffentlich selbst als
Traum. Welch verlockender Gedanke! Nur sprachen ihre Empfindungen
dagegen, selbst, wenn sie ihr irgendwie unvollständig vorkamen.
Vergeblich kämpfte sie gegen die Vorstellung an, keine Hände zu
haben, keine Beine, eigentlich überhaupt keinen Körper vom Kopf an
abwärts. Empfand man so, wenn man gelähmt war? War sie etwa …
Nein,
sie spürte etwas. Ja, da arbeiteten Nerven! Nicht Schmerzen. Dort,
wo sie endlich ihren Körper fühlte, war ihr, als ob Ameisen
über die Haut krabbelten. Blut floss, als hätte es selbst bis jetzt
geschlafen. Das war ein Grund zur Freude: Ziemlich sicher war sie
nicht gelähmt. Und blind wohl auch nicht! Dann klärte sich der Rest
bestimmt auch bald.
Einen
Moment lag sie still. Überlegte.
Müsste sie nicht noch mehr als ihren Kopf bewegen können? Weit
unten die Beine zum Beispiel? Sie konzentrierte sich ganz fest auf
die Zehen. Das Blut fußwärts
fließen
lassen. Ganz ruhig. So ähnlich wie bei autogenem Training, und sie
stutzte, warum ihr ausgerechnet das einfiel, ihr eigener Name aber
nicht. Und dieses Kribbeln nahm immer mehr zu. Sie wollte sich
kratzen und konnte nicht. Wer sollte sich da konzentrieren können!
Uli!
Uljana Silberbaum. Hach! Ein Blitz! Das war ihr Name. Er war einfach
wieder da! Sie atmete tief durch, freute sich und vergaß darüber fast ihren
eigensinnigen Körper.
Dafür
kam eine andere Frage zurück. Wo lag sie eigentlich? Die Haut ihres
Rückens verriet, es war kein Bett. ...
***
Vorsicht: Diese Gedichte haben eine kritische politische Auffassung zum Inhalt. Wer sie liest, wird registriert. Eine künftige Einreise in die Freiheit der Vereinigten Staaten wird wegen Terrorverdachts eventuell unmöglich. Die Verfassungsschutzstaffel wird sie im Auge behalten.
Sollten Sie nicht abgeschreckt worden sein, denken sie an Pfarrer König "Einem König der Mutigen" und das Vehältnis der deutschen Industrie zu Tötungstätigkeiten in aller Welt "Drei identische Reime und ein einfacher".
(Das gehörte natürlich nicht mehr zur Leseprobe sondern kündigt die morgigen "Gedichte des Tages" an ...)
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