Samstag, 26. Februar 2011

DREI Nummer 959

Petra Namyslo führt es vor: Manchmal muss ein Poet auch ganz schnell auf aktuelle Ereignisse reagieren können - und was ist wichtiger, als vor einem denkbaren Krieg zu warnen? Also hier die Gedichte des Tages von morgen:
Als erstes erinnert Brunhild Hauschild mit "Seidengarn" daran, dass hier Wolkengedichte gesammelt werden wollten - und jeder an den vorliegenden Beanstandenswertes suchen und finden kann.
Dann kommt ein Gedicht, dass man mit +++ wie bei einem Nachtichtenticker eröffnen sollte +++ Es heißt +++Evakuierung tut not +++ist geschrieben von Petra Namyslo+++ und wir sollten hoffen, dass wir es bald Schreckschweiß abwischend in die Tonne werfen dürfen:+++ Noch einmal gut gegangen+++
 
Denn ich wäre lieber wie David Damm zur ersten Friedenslesung durch den, Park des Sieges gegangen - mit dem friedlichen Eindruck von Kindern wie er. Mein Gedicht am 27.2.2008 sollte ich wieder aufnehmen, auch wenn es, nein gerade weil es nicht immer wieder
heißt

Zum Schluss die Fortsetzungsgeschichte "Eine wunde Stelle"(3):

Die beiden Männer, der lange junge und der kleinere ältere, hatten sich zusammen am äußersten Ende der Abfertigung postiert. Alle Passagiere mussten an ihnen vorbei, nachdem sie ihre Koffer vom Laufband genommen hatten. Michael rieb sich die Hände warm, obwohl ihm nicht kalt war. In seinem Gesichtsfeld tauchten Koffer, Wintermäntel, Stiefel und Menschen auf und entschwanden wieder. Niemand hatte den erwarteten Gästen ähnlich gesehen.
Max war wieder vom Geländer herunter gesprungen. Hatte mit den Achseln
gezuckt. Da endlich bemerkte er sie. Das kleine Mädchen in Kopftuch und Mantel dadurch, dass es sich so verängstigt an der Manteltasche der Mutter festkrallte, und die Frau durch die zwei großen Koffer, die neben ihren Armen darauf warteten, wieder angehoben zu werden.
Spring über deinen Schatten, hörte Michael seine innere Stimme rufen. Er hob die Arme, lief los, stockte unvermittelt, weil ihm einfiel, dass es vielleicht trotz allem noch eine Verwechslung sein konnte, und fragte zwei Meter vor dem weiblichen Paar laut bei wenigstens halb vorgestreckter rechter Hand. „Galja?“ Und weil die Frau erleichtert lächelte: „Dobro poshalowatj v Berlinje!“ Auf die verwirrten Blicke hin brüllte er beinahe hinterher: „Net, net, ja nitschewo ne gowarju po russki!“
Das Lachen war nur kurz. Michael erinnerte sich nicht mehr, was er hatte sagen wollen, obwohl er sich doch eine ordentliche Begrüßung zurechtgelegt hatte. So griff er nach dem Mädchen, hob es hoch – „Du bist also Nastjenka!“ – und weil das Mädchen ihn nur verwundert betrachtete, zog er es einfach an sich heran und gab ihm den Kuss, den er sich für die Mutter vorgenommen hatte.
Das Mädchen, noch immer mit einem verschüchterten Blick auf den Fremden, sagte leise etwas für Michael Unverständliches. Plötzlich fing Galja schallend zu lachen an. Ohne die drei verwegenen Lachtränen zu beachten, stürzte sie auf Michael zu und umarmte ihn mit einer Wucht, wie sie nur Soldaten kennen, die wider Erwarten doch noch aus dem Krieg heimgekehrt sind.
It´s good, it´s so good!“
Was hat sie denn ... oh, sorry, what did she say?“
Doch Galja schüttelte nur ihren noch immer an Michaels Wange gepressten Kopf. „A joke. Later ...“
Könn´n wir jetzt endlich geh´n?“ Max hatte die beiden Koffergriffe gepackt und versucht, sich mit einer männlich coolen Bewegung aufzurichten. Die Koffer erwiesen sich als zu schwer für Lässigkeit. So hatte er den Rücken wieder gebeugt, es letztlich aber doch nicht ausgehalten, völlig sinnlos herumzustehen.
In der S-Bahn nach Ahrensfelde musterte Michael Galja fast aufdringlich. Sie hatte etwas von einem Mädchen. Zu Zeiten der Sowjetunion war sie in einem Forschungsinstitut beschäftigt gewesen. Dann hatte Galjas blaugrüne Augen dort keiner gebraucht außer dem Abteilungsleiter, der nicht Vater hatte werden wollen. Eine vaterlose Nastja war zurück geblieben.
Wenn Galja zu Michael hochsah, fixierte der einen hinter dem Fenster entschwindenden Punkt. Galja konnte sich wenigstens an ihrer Tochter festhalten. Musste er nicht etwas Nettes zu ihr sagen? Wie aber würden die anderen Fahrgäste auf seine Englischbrocken reagieren? Galja hatte ja geschrieben, dass sie nicht fluent englisch spreche. Max hatte es da leichter. Er lehnte an der Stange hinter den Sitzen und drückte auf seinem Gameboy herum, egal, ob das für einen Sechzehnjährigen in war. Nastja sprang plötzlich vom Schoß der Mutter, um die Bewegungen des Heldenmonsters im dritten Level verfolgen zu können. Welche Ehre: Nach dem nächsten Halt durfte sie sogar selbst drücken.
Galja sah zu Max und Nastja hinüber, dann zu Michael und lächelte, Michael sah zu Nastja und Max, spürte dann Galjas Blick, erwiderte ihn, lächelte auch. Der Platz neben Galja wurde frei. Michael blieb ihr gegenüber sitzen. Er hörte sie sagen: „Children don´t take it so hard.“ und sich selbst „Ja, die nehmen es nicht so schwer“. Er nickte dabei. Schließlich standen die beiden Koffer im Korridor, und Max brüllte: „Ich zeig Nastja das Kinderzimmer!“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Follower