Samstag, 6. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1536

Zwar kein runder Geburtstag, aber man sollte wenigstens einmal im Jahr am Grab eines früh gestorbenen vielleicht Talents verharren. Also widmen sich die "Gedichte des Tages" auf unterschiedliche Weise der vergangenen DDR. Lediglich die Fortsetzungsgeschichte geht weiter wie begonnen und nähert sich dem "Showdown" ...



So etwas passiert mir nicht oft: Bei dem Gedicht "Ameisenkolonie" von Thomas Reich schwanke ich dazwischen, ob ich hilflos die Achseln zucken davon ablasse ("versteh ich nicht") oder behaupte, hier seien Bilder vermischt worden, die sich nicht in einem Gedicht vereinen lassen ... sei es wegen des Schlusses und der damit verbundenen Frage,wer dabei dann der David sein könnte. 
Halte ich mich also an das, was mir greifbarer ist: Der 7. Oktober ist der Geburtstag des Staates, der bei all seinen geburts- und umweltbedingten, aber auch anderen Krankheiten doch besser noch leben sollte. Kein Deutscher würde da innerlich zerstört in seinem Menschsein aus dem Afghanistan-Krieg herkommen, keiner aus diesem Land wegen einer kleinen Schwäche in einer Gosse gelassen. Ich erlebe also ein  Exil im eigenen Land
In  Sippenhaft  genommen soll ich mich wohl freuen, in der "Bananenrepublik leben zu dürfen. Aber auf einem  Bedarfshalt in der Heide   sehe ich die "blühenden Landschaften", die ein professioneller Rattenfängern den Meinesgleichen einst versprach ... So bunt ist das Leben heute ...






Slov ant Gali: Der lebende See (16)


... Wenn es nur um das körperliche Ineinandersein gegangen wäre, ich hätte es längst versucht. Aber es ging ihr ja um den Erfolg ihres Kalenders. Meine arme Wroohn traf jetzt ein Bumerang. Die wenige Zeit, die die Natur den Schla für notwendige nützliche Tätigkeiten abverlangte, fiel den einzelnen nicht auf, da es ja allen ähnlich ging. Die wichtigste Pflichtzeit war dabei das gemeinsame Kümmern um die Heranwachsenden. Wroohn hatte aber nur Olahoo … und ich kümmerte mich viel um Andere.
Das brachte mich dann auf die nächste Idee. Zuerst erklärte ich Olahoo in Wroohns Gegenwart, was ein Kalender ist, wie er entsteht und dass man damit rechnen kann, was später für sie als Mädchen ganz wichtig würde. Später erzählte ich ihr Geschichten von meiner Reise an den Sternen entlang. Dann kam die Erde dran und dass es dort Geschichten gäbe, die hätte jemand aufgeschrieben und danach könnte man sie lesen und fremde Eltern könnten das ihren Kindern erzählen, als wären sie selbst dabei gewesen. Aufmerksam hatte mir Wroohn zugehört. Ob ich das könne und ob ich ihr das beibringen könne, damit sie Olahoo meine Geschichten erzählen könne, wenn ich unterwegs sei. „Ja“, sagte ich und frohlockte heimlich, „und du kannst das auch mit den Kindern der Nachbarn. Die lernen Neues. Man nennt das Schule.“ So wurde Wroohn die erste eine Lehrerin der Schla. Ihre praktische Aufgabe war damit, den künftigen erwachsenen Schla Neugierde auf Wissen zu vermitteln.
Ich ahnte, dass ich trotzdem am Verlieren war. Jede Entwicklung ist Auseinandersetzung zwischen widerstreitenden Seiten eines Ganzen. Reale Aufgaben mussten gestellt sein, damit sie überwunden werden konnten. Genau genommen stellte die Natur eben vor Probleme, bei denen ein positiver Ausgang ungewiss war. Die Niederlagen gingen unter, die Siege waren dann die Entwicklung, die Durchsetzung des Fortschritts. Wie alt war ich eigentlich und wie alt würde ich werden? Also welches Stück der Schla-Entwicklung würde ich noch miterleben? Nach irdischen Maßstäben war ich etwa Vierzig. Nach eben diesen Maßstäben erreichten die ältesten Schla ein Alter von 60 Jahren. Das mochte zum einen mit ihrem an Training armen Leben zusammenhängen, zum anderen war eine uneingeschränkt vegane Ernährung vielleicht doch mangelhaft. Aber ich konnte doch kein Kaninchen aus dem Zylinder zaubern! Und das erste echte Entwicklungsproblem würde nach meiner Schätzung in 15 bis 20 Jahren eintreten können: Dann erst konnte die Besiedlung so dicht sein, dass die ersten Ansiedlungen außerhalb der Fußerreichbarkeit des Sees angelegt werden mussten – ich aber läge dann im Sterben. Andererseits wusste ich, dass Traditionen und Werte sich schnell wandeln konnten, sobald sie den materiellen Verhältnissen einer Gemeinschaft widersprachen. Noch wurden viele Kinder als Segen betrachtet. Ab wann würden sie als Plagegeister empfunden werden? Wie schnell konnten meine Kalender dann zur Methode der Verhütung werden! Auf höherem Niveau zwar … aber ein Stillstand war vorauszusehen. Warum sollten Schla aus einer beschränkten Welt ausbrechen, wenn sie ihnen doch genügte – und zwar nicht nur in ihrem Empfinden, sondern in ihrer tatsächlichen materiellen Wirklichkeit?
Monatelang arbeitete ich fieberhaft am Problem der Lebensfähigkeit der Neugeborenen. Im Groben brachte ich das Wissen um allen Fortschritt der Menschheit mit. Ich wusste um wissenschaftliches Arbeiten, um Zusammenhänge von Materie und Energie. Aber was nutzte mir das in einer Welt ohne Labore, ohne Technik, ohne Messgeräte, ohne Möglichkeit des Irrtums? Alle Menschheitserfahrungen waren letztlich mit vielen Opfern von Irrtümern und Fehlern „erkauft“, die im Nachhinein ausgewertet werden konnten. Meine Schla-Gruppe war aber zu klein, um Opfer zu riskieren – und sei es, dass sie mich dann nicht hätten weitermachen lassen. Und die erreichbaren Insekten waren denkbar ungeeignet für Tierversuchsreihen.
...

1 Kommentar:

Follower